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■ Goodwill GamesDie Schönfärber

St. Petersburg (taz) – „Ihr solltet jetzt endlich mal über die guten Seiten der Spiele berichten“, hat Jack Kelly, der Präsident der Goodwill Games Incorporated, gegenüber Journalisten gescherzt. Im Leichtathletik-Stadion war der Boß dagegen weniger herzlich: Die Russen hat er zusammengestaucht, weil Programmhefte fehlten, die Kameramänner des hauseigenen Senders TBS erhielten die Order, „nicht immer nur leere Ränge“ zu zeigen. Gruppenbilder werden bevorzugt, Beifall ist Pflicht, ausgelassene Heiterkeit erwünscht – hartnäckig versuchen die Ausrichter, der Welt ein harmonisches Bild vorzugaukeln.

Sportreporter arbeiten gleichzeitig für das Organisationskomitee und verbreiten Jubelmeldungen wie auch die St. Petersburger Nachrichten, die ehemalige Parteizeitung. Zu den täglichen Pressekonferenzen werden Claqueure bestellt, um die Offiziellen mit investigativen Fragen zu traktieren. „Mr. Kelly“, heißt es dann, „wie gefällt Ihnen das russische Wetter?“ Und sollte tatsächlich jemand eine unliebsame Auskunft verlangen, weiß Pressechef Rudolf Nezwetski, wofür er sein Geld bekommt: „Tendenziöse Fragen“ sind unerwünscht. Denn die Tendenz ist nicht unbedingt erfreulich.

Volle Stadien wurden versprochen, doch es verirren sich nur wenige Einheimische in die frisch hergerichteten Sportstätten. Mehr als die Hälfte der Tickets blieb ungenutzt. Zu behaupten, die Petersburger würden sich für die Turner- Olympiade begeistern, wäre etwas übertrieben. Sie sitzen lieber zu Hause vor dem Fernseher, das ist billiger und auch noch bequem. So haben die Fernsehkameras bisher ein adäquates Bild vom bescheidenen Besucherstrom vermittelt. Nur die Organisatoren sehen das anders. Jack Kelly behauptet, daß „außer bei Olympischen Spielen nirgends sonst mehr Zuschauer zur Leichtathletik kommen“.

60 Millionen Dollar läßt sich die Turner Company die Show an der Newa kosten, „etwa 75 bis 100 Millionen“ (Kelly) investierten die Russen. Anatoli Sobtschak, der Bürgermeister St. Petersburgs und Präsident des Organisationskomitees, ist zum Erfolg verdammt. Die Spiele sind lebenswichtig, sollen Touristen und Investoren anlocken. Sobtschak tut viel für den guten Ruf seiner Stadt und den der Goodwill Games. Das Petrow-Stadion, befand Sobtschak zum Beispiel, sei „das beste Leichtathletik- Stadion Europas“. Soviel Optimismus imponiert selbst Jack Kelly, dem Schönredner von Turners Gnaden. „Sobtschak“, sagt Kelly, „hat Power. Der Mann fightet hart.“ Sobtschak hat es zum Beispiel geschafft, 600.000 Menschen zum freiwilligen Arbeitseinsatz, dem Subotnik, zu überreden. Da zu den ersten samstäglichen Terminen im Vorfeld der Spiele nicht viele Arbeitswillige erschienen, hat Sobtschak Dutzende Betriebsdirektoren und seine Stadtverwaltung mit Strafandrohungen unter Druck gesetzt: Bis zur Eröffnung war zwei Wochen lang täglich Subotnik in St. Petersburg.

Um mehr Zuschauer in die Stadien zu locken, senkt das Organisationskomitee fast täglich die Preise. Für ein Ticket beim Gewichtheben wurden am Samstag noch 25 Dollar verlangt, zur Eröffnungsfeier ins Kirow-Stadion kam man schon für drei Dollar. Zehntausende sollen umsonst eingelassen worden sein. Das billigere Leichtathletik-Billet kostet mittlerweile einen Dollar, und zum Triathlon in Kawgolowo hat Bürgermeister Sobtschak vorsorglich freien Eintritt versprochen.Jens Weinreich

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