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Archiv-Artikel

Goldbärchen wollen ihre Zentrale nicht mehr in Bonn haben

Nach 85-jähriger Verbundenheit bereitet der Süßwarenhersteller Haribo jetzt seinen Wegzug aus der früheren Bundeshauptstadt vor. Das rheinland-pfälzische Grafschaft und Rheinbach in Nordrhein-Westfalen gelten als mögliche neue Standorte für das traditionsreiche Familienunternehmen. Endgültige Entscheidung soll Anfang 2006 fallen

DÜSSELDORF taz ■ Eine Ära geht zu Ende: Haribo bereitet den Abschied aus Bonn vor. „Wir können an unserem bisherigen Standort nicht weiter produzieren“, sagte Hans Riegel, der Chef von Europas größtem Fruchtgummi- und Lakritzhersteller dem Berliner Tagesspiegel. Als mögliche Standorte für den neuen Hauptsitz des Familienunternehmens nannte Riegel das nordrhein-westfälische Rheinbach und Grafschaft in Rheinland-Pfalz. Anfang kommenden Jahres soll die Entscheidung über den neuen Standort fallen.

Seit längerem ist bekannt, dass Haribo unzufrieden mit dem derzeitigen Standort seiner Zentrale in einem Wohngebiet im Bonner Stadtteil Kessenich ist. Die Stadt Bonn sei jedoch nicht in der Lage gewesen, dem Unternehmen ein größeres und günstiger gelegenes Gelände zur Verfügung zu stellen, sagte gestern ein Firmensprecher. Allerdings ist das offensichtlich nicht der einzige Grund für den angekündigten Abschied von Bonn. So beklagte Riegel gegenüber den Tagesspiegel auch noch die aus seiner Sicht sehr hohe Gewerbesteuer in der einstigen Bundeshauptstadt.

Haribo und Bonn, das ließ sich bislang nicht getrennt denken. Die Verbundenheit spiegelt sich im Firmennamen wider: Hans Riegel Bonn. Die Stadt gönnte dem Unternehmen dafür auch eine passende Firmenadresse: Haribo residiert auf der Hans-Riegel-Straße 1 – benannt nach dem gleichnamigen Vater des heutigen Firmenchefs, der Haribo im Dezember 1920 in Bonn gegründet hatte. Das Startkapital soll ein Sack Zucker betragen haben. Seit 1946 leitet nun Hans Riegel II gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Paul die „Goldbärchen“-Schmiede. Die hat sich inzwischen zu einem Konzern mit rund 6.000 Mitarbeitern, 18 Fabriken in ganz Europa und und einem geschätzten Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro entwickelt.

Während Paul für die Technik zuständig, kümmert sich Hans Riegel um Marketing, Verkauf, den kaufmännischen Bereich und seinen prominenten Werbeträger Thomas Gottschalk.

Berühmt und berüchtigt ist der mittlerweile 81-jährige Hans Riegel dabei für seine eigenwillige Unternehmensführung. So spottete einmal der Spiegel, sein autokratisch-patriarchalischer Stil erinnere „an jene Zeiten, als noch Wilhelm II. die ersten Goldbärchen goutierte“. So lässt der Haribo-Chef täglich seine Abteilungsleiter einzeln antreten. Hier händige er ihnen auch die – zuvor von seiner Sekretärin geöffnete – an sie adressierte Post aus. Sogar in der Werkskantine regiert sein Geschmack: Knoblauch ist verboten. Ein Koch in der Firmenzentrale soll nur deshalb eine Abmahnung kassiert haben, weil er die Zwiebeln zu dick geschnitten hatte.

Aber der betagte Firmenmonarch unternimmt auch einiges zusammen mit seinen Untergebenen. Der begeisterte Hobbyjäger nimmt sie gerne mit auf die Sauen-Jagd, heißt es. Unweit von Boppard am Rhein, wo Riegel ein Golfhotel besitzt, sollen sie ihm dann als Treiber dienen dürfen – in gelben Hemden, damit sie nicht getroffen werden.

Von dem geplanten schrittweisen Wegzug der Haribo-Zentrale aus Bonn wären langfristig rund 1.350 Mitarbeiter betroffen. Allerdings sind die beiden derzeit favorisierten Alternativstandorte nur rund 20 Minuten von der gegenwärtigen Haribo-Zentrale entfernt. Somit dürften auch die Jagdausflüge nicht beschwerlicher werden.

PASCAL BEUCKER