Görlitzer Park Berlin: Kein Park mehr für alle
Arbeitsgruppe stellt Konzept für Kreuzberger Grünanlage vor. Studie sagt: Arabische und türkische Anwohner sowie Jugendliche und Kinder nutzen den Park aus Angst nicht mehr
Der Görlitzer Park soll wieder zu einem Park für alle werden – das ist die Leitlinie eines neuen Handlungskonzepts. Ein Jahr lang hat eine aus Anwohnern, Projekt- und Verwaltungsmitarbeitern des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg bestehende Arbeitsgruppe daran gearbeitet. Am Donnerstagabend wurde die Broschüre im Stadtentwicklungsausschuss des Bezirksparlaments der Öffentlichkeit vorgestellt.
Es hat Zeiten gegeben, da füllten Diskussionen über den Görli ganze Säle. Am Donnerstag indes konnte man das Publikum an zwei Händen abzählen. Zugegeben: Die in dem 80-seitigen Papier aufgelisteten Maßnahmen sind nicht neu. Vorschläge wie die Einführung von Parkläufern oder Lotsen sowie mehr Sport- und Spielgeräte sind schon früher diskutiert worden. Vieles sei bereits versucht worden, räumte Axel Koller, Leiter des Grünflächenamts, ein. Koller stellte das Konzept mit anderen Teilnehmern der AG vor. Neu sei, dass die Ideen gebündelt, und „alle Handlungsfelder wie ein Teppich miteinander verwebt wurden“. Ein vergleichbares Konzept für eine Grünanlage habe es in der Bundesrepublik noch nie gegeben, freute sich Koller.
Keinen ausgrenzen
Den Spagat, in dem sich die AG bewegte, beschrieb Anwohner Martin Heuß so: „Für die einen ist der Park eine No-go-Area, für andere das idyllischste Fleckchen Erde. Das Einzige, was sie stört, ist die Polizei.“ Keine Meinung ausgrenzen, unterschiedlichste Ansichten und widersprüchlichste Standpunkte aushalten, das sei bei der Arbeit der AG die Maxime gewesen, so Heuß.
Im Anhang der Broschüre findet sich eine schonungslose Analyse der Ethnologin und Mediatorin Franziska Becker. Sie hat im Auftrag des Bezirksamts eine Feldforschung im Görli und den angrenzenden Wohngebieten durchgeführt und mit allen Gruppen gesprochen: Anwohnern, Projektmitarbeitern, Parknutzern – darunter auch 16 Männer aus Afrika. Dabei habe sie Einblicke in den Drogenhandel bekommen, so die Ethnologin am Donnerstag. Viele der Dealer seien Illegalisierte. Sie hätten keine Arbeit, stünden aber unter hohem Erwartungsdruck, ihre Familien in Afrika mit Geld zu versorgen.
Das Fazit ihrer Feldforschung fasste Becker so zusammen: Alle „Handlungsgruppen“ hätten von einer von Misstrauen geprägten, offen aggressiven Stimmung im Park gesprochen. Frauen senkten den Blick, um nicht angesprochen zu werden. Bestimmte Wege würden gemieden. Offensichtliche Verdrängungsprozesse hätten in den letzten Jahren stattgefunden. Besonders betroffen sei die türkisch- und arabischstämmige Bevölkerung. Für deren Frauen und Mädchen sei die Grünanlage zu einem Angstraum geworden. „Sie können im Kiez jeden fragen, wir haben alle Angst“, zitierte Becker eine der Interviewten. Massiv verdrängt worden seien auch Kinder und Jugendliche. Früher hätten diese den Park ganz selbstverständlich genutzt, dort Verstecken und andere Spiele gespielt. Das sei nicht mehr so. „Der Park gilt als Gefahrenzone, das schränkt ihre Bewegungsfreiheit ein.“
Man habe in der AG diskutiert, ob und wie die Drogengeschäfte aus dem Park verbannt werden könnten, sagte Anwohner Heuß. Aber niemand glaube, dass sich der Handel wieder auf null reduzieren lasse. „Selbst der Polizeipräsident tut das nicht“, so Heuß.
Franziska Becker, Ethnologin
Für die Umsetzung der Vorschläge brauche es einen langen Atem, vor allem aber Geld, sagte Anwohner Lorenz Rollhäuser am Ende. Das Bezirksamt wird nächste Woche eine Stelle für einen Parkkoordinator mit sozialwissenschaftlicher Ausbildung ausschreiben.
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