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Göllner kritisiert Geschichtsbewältigung

Berlin (dpa/adn) - Nach dem Rücktritt von Justizminister Wünsche sorgt sich der Kandidat für das gegenwärtig vakante Amt des Generalstaatsanwalts, Armin Göllner, um seine Berufung. Göllner verlangte am Donnerstag abend in Berlin von der Regierung baldige Aufklärung, ob eine zwischen ihm und Wünsche getroffene und von Ministerpräsident de Maiziere (CDU) gebilligte Nominierung eingehalten werde. Wünsche habe ihm vor sechs Wochen das Amt des Generalstaatsanwalts angetragen. Göllner war von 1978 bis 1984 persönlicher Mitarbeiter des damaligen Justizministers Heusinger (LDPD). Er fiel aufgrund seiner liberalen Haltung bei den SED -Politikern in Ungnade und saß knapp vier Jahre lang in Einzelhaft in Bautzen. Anschließend wurde er aus der DDR ausgebürgert. Göllner lebt derzeit in Mannheim und hat nach eigenen Angaben die DDR-Staatsbürgerschaft beantragt.

Göllner übte scharfe Kritik an der bisherigen Aufarbeitung der früheren politischen Strafjustiz. Volkskammer und Regierung hätten nach der Wende bei der Weichenstellung in Richtung Rechtsstaat „kläglich versagt“. Er habe den „tragischen Eindruck, daß man sich mit Sack und Pack in die Wiedervereinigung retten will“, meinte Göllner. Frühere „Täter“ hätten ähnlich wie ehemalige Stasi-Mitarbeiter „gute Chancen, davonzukommen“. Dem stünden rund 250.000 Menschen gegenüber, die der politischen Strafjustiz zum Opfer gefallen seien. Hinter verschlossenen Türen hätten Sonderkammern jährlich 5.000 bis 8.000 Urteile gefällt viele wegen versuchter Republikflucht oder in politisch motivierten Arbeitsrechtsverfahren.

Der prominente frühere DDR-Jurist vertrat in diesem Zusammenhang die Ansicht, daß es für etwa 20 Prozent der 1.350 DDR-Richter und 1.200 Staatsanwälte aufgrund ihrer Vergangenheit künftig keinen Platz in einer demokratischen Justiz geben könne. Nach seinen Angaben haben bislang rund 200 Richter und 200 Staatsanwälte den Dienst quittiert oder sind daraus entfernt worden. Göllner sprach sich für Einzelfallprüfungen aus.

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