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Glücksatlas 2012Ostdeutsche Avantgarde des Glücks

Bei der Zufriedenheit holen die Ostdeutschen auf. Eine weitere Überraschung: Mini-Jobs machen glücklicher als Arbeitslosigkeit.

Mit Sekt und Schwein kann man ja nur glücklich sein. Bild: dapd

BERLIN taz | Eurokrise, Wirtschaftskrise, allgemeine Unsicherheit – all das macht die Deutschen nicht sonderlich unglücklich. Im Gegenteil: Ihre Zufriedenheit ist laut „Glücksatlas 2012“ genauso groß wie im vergangenen Jahr.

Nach der repräsentativen Studie, die Daten des Sozioökonomischen Panels sowie Umfragen der Meinungsforschungsinstitute Allensbach und Emnid zusammenfasst, tragen vor allem die Ostdeutschen zum allgemeinen Wohlbefinden bei.

Mit nur noch 0,2 Punkten Unterschied bei insgesamt 7 Punkten auf einer Skala von 0 bis 10 sei die „Glückslücke“ zwischen Ost und West fast geschlossen, sagte Jan Müller von der Deutschen Post. Das Unternehmen hatte die Studie, die am Dienstag vorgestellt wurde, in Auftrag gegeben.

Hauptsache Arbeit

Geld allein mache die Deutschen nicht glücklich, bekräftigte Bernd Raffelhüschen, Professor für Finanzwissenschaft an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg, ein bekanntes Phänomen. „Mit einem Prozent Wirtschaftswachstum sind die Menschen zufrieden“, so der Autor der Studie: „Einen Boom brauchen sie nicht.“ Dafür brauchen sie für ihr Glück einen Job.

Jede Form von Arbeit begünstige die Zufriedenheit, sagte Raffelhüschen: „Auch ein Mini-Job.“ Das überrascht. Aus anderen Studien ist bekannt, dass Mini-Jobber mit miesen und vor allem mies bezahlten Stellen höchst unzufrieden sind. Aber gar keinen Job zu haben, macht noch unglücklicher, als schlecht bezahlt zu werden.

Die Zufriedenheitsschere öffnet sich allerdings bei der Einkommensverteilung: Dort, wo der Unterschied zwischen Arm und Reich größer geworden ist, ist auch die Unzufriedenheit gewachsen. Selbst dann, wenn die Armen heute genauso viel haben wie früher. Raffelhüschen nennt das den „Neidfaktor“.

Laut Glücksatlas wohnen die zufriedensten Deutschen in Hamburg. Dort gibt es ein hohes Durchschnittseinkommen und viel Kultur. Am unglücklichsten sind die Menschen in Essen. Grund: schlechte Haushalts- und Finanzlage, wenig Angebote für Kinder und Senioren. Im Ranking der 13 größten Städte sind erstmalig ostdeutsche Städte nach oben gewandert: Dresden auf Platz drei und Leipzig an die fünfte Stelle.

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8 Kommentare

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  • BG
    Bernd Goldammer

    Gehört die Deutsche Post nicht zu den zahlreichen Sponsoren der "Initiative Neue Marktwirtschaft"? Leider ist nichts Näheres über die Anzahl der Befragten und die angewandte Untersuchungsmethodik zu lesen. Aber das macht die beteiligten Umfrageinstitute ja so "glaubwürdig". Der Name Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen sollte aber etwas vorsichtiger machen. Jedes Kind weiß, Raffelhüschen ist sogar Botschafter der Initiative Neue Marktwirtschaft. Dieser zweifelhaften Vereinigung von superreichen Gierkapitalisten und ihren wissenschaftlichen Handlangern verdankt Deutschland schon zu viel übersehenes oder passend zurechtgedeutetes Elend. "Arbeit im Minnijob ist besser als arbeitslos" Schon bei diesem einen Satz stinkt der reiche Mob aus allen Löchern. So fantasieren sich interessierte Kreise ihr Menschenbild zusammen. Und noch was: Arbeit kann mit Sicherheit extrem erniedrigen. Nicht erst die Nazis nutzten dies um Menschen zu brechen. Wer jahrelang in totaler Arbeitslosigkeit leben musste, ist irgendwann so weit sich mit einem Minnijob glücklich zu fühlen. So wie sich der Hungernde über einen Kanten schimmligen Brotes freut. Wer dieses menschliche Phänomen für billige Agitation missbraucht entlarvt sich selber. Es lässt sich ahnen, wohin diese Leute unser Land noch bringen wollen.

  • D
    Dhimitry

    Interessante Ergebnisse!

     

    Leider ist der Studienautor Bernd Raffelhüschen nicht gerade für zuverlässige Berechnungen bekannt.

     

    Stichwort "Produktivität" bei der Berechnung der zukünftigen Rentenlasten...

  • RB
    Rolf Braun Junior

    Was soll denn dieser Satz aussagen? Gibt es da einen Unterschied?

     

    "Aber gar keinen Job zu haben, macht noch unglücklicher, als arbeitslos zu sein. "

  • H
    ähähm...

    "Aber gar keinen Job zu haben, macht noch unglücklicher, als arbeitslos zu sein. "

     

    Achso! ;)

  • N
    NullBock

    Weil es im Durchschnitt (!) glücklicher macht irgendeinen Arbeitsplatz zu besetzen als gar keinen sollten all jene, die anderen den geliebten Arbeitsplatz nicht streitig machen dafür ordentlich entschädigt werden.

  • AG
    Anton Gorodezky

    Kann Raffelhüschen mit dem "Neidfaktor" auch erklären, warum in ungleichen Gesellschaften auch die Wohlhabenden unglücklicher sind?

  • W
    Wolfgang

    Ungeschminkt.

     

    Offensichtlich gehört in der ökonomischen und sozialen Krise die geistige Manipulation und Ablenkung der Bevölkerung zum Programm von Bourgeoisie und gesellschaftspolitischer Administration, - einschließlich Pseudowissenschaften.

     

    Oder: Die zielgerichtete reale ideologische Verblödung der Bevölkerung (ob mit oder ohne Abitur oder akademischen Abschluss) gehört zur Strategie der Kapitalinteressen.

     

    Ziehen sich die Reichen künftig in ihre Abwehrdörfer hinter hohen bewachten Mauern zurück und die Armen bleiben unter sich, so steigt in der Armut der Gleichen das 'Glücksgefühl'. Damit können die staatlichen verbeamteten und privaten Armutsexperten und Wirtschaftslobbyisten die weitere Absenkung der Löhne und die Reduzierung der Sozialhilfe ('Grundsicherung' - die keine ist) und Armutsrenten rechtfertigen.

     

    Das Kapital und seine ideologischen Apologeten - im Verbildungssystem, in bürgerlichen Parteien, Lobbyregierung und Parlamentsmehrheit, halten mit ihren hündischen Verblödungsmedien weiterhin die Bevölkerung unter Kontrolle, auch bei der weiteren Verteilung des Reichtums aus der Wertschöpfung der eigentumslosen Bevölkerungsmehrheit - nach oben.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Gehört die Deutsche Post nicht zu den zahlreichen Sponsoren der "Initiative Neue Marktwirtschaft"? Leider ist nichts Näheres über die Anzahl der Befragten und die angewandte Untersuchungsmethodik zu lesen. Aber das macht die beteiligten Umfrageinstitute ja so "glaubwürdig". Der Name Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen sollte aber etwas vorsichtiger machen. Jedes Kind weiß, Raffelhüschen ist sogar Botschafter der Initiative Neue Marktwirtschaft. Dieser zweifelhaften Vereinigung von superreichen Gierkapitalisten und ihren wissenschaftlichen Handlangern verdankt Deutschland schon zu viel übersehenes oder passend zurechtgedeutetes Elend. "Arbeit im Minnijob ist besser als arbeitslos" Schon bei diesem einen Satz stinkt der reiche Mob aus allen Löchern. So fantasieren sich interessierte Kreise ihr Menschenbild zusammen. Und noch was: Arbeit kann mit Sicherheit extrem erniedrigen. Nicht erst die Nazis nutzten dies um Menschen zu brechen. Wer jahrelang in totaler Arbeitslosigkeit leben musste, ist irgendwann so weit sich mit einem Minnijob glücklich zu fühlen. So wie sich der Hungernde über einen Kanten schimmligen Brotes freut. Wer dieses menschliche Phänomen für billige Agitation missbraucht entlarvt sich selber. Es lässt sich ahnen, wohin diese Leute unser Land noch bringen wollen.