■ Glosse: Stadt im Ampelfieber
Es ist bekannt, daß der Senat die brennenden Probleme der Stadt mit offenem Visier angeht. Verlangt der Zoo Nachwuchs, fliegt der Regierende im Düsenjet nach China, um einen Pandabären zu organisieren. Dreht ein Sprayer durch, vermummen sich der Umwelt- und Innensenator als Putzkolonne. Und kurven Universitätspräsidenten und Intendanten mit dem Dienstwagen ein paar Runden, kreißt der Berg. Darum nimmt es nicht Wunder, daß der Senat auch die Ampelfrage zur Hauptfrage macht. Über der geplanten Signalanlage, die die Raser am Großen Stern stoppen soll, brütet jetzt der Koalitionsausschuß. Und mehr noch: Weil an der global bekannten Siegessäule auch Touristen von Cottbus bis Herne manchmal das Blech wegfliegt, muß noch der Hauptstadtausschuß metropolenmäßig ran.
Der Senat ist vom Ampelfieber erfaßt. Verkehrssenator Klemann (CDU) kämpft um die Installierung der Signalanlage. SPD-Strieder ist innerlich zerrissen – mal dafür und mal dagegen. Sein Landeskonservator erstellt jetzt erste Gutachten. Die Opposition schäumt. Verkehrsexperte Cramer (Bündnisgrüne) hat selbst sein Lieblingskind, die Straßenbahn, darüber vergessen. Und Horst Porath (SPD), Bezirksbaustadtrat, schlägt die „Turbinenlösung“ vor; was immer das auch heißen mag. Klar ist nur, es geht um Verkehrssicherheit, Alkohol am Steuer, Geschichte, Gegenwart und Zukunft, ums Stadtbild – also ums Ganze.
Um zentrale Probleme muß gerungen werden. Sonst wird Berlin nie hauptstadtfähig. Daß der Senat sich am Großen Stern so reinkniet, macht Mut. Es gibt dergestalt noch viel zu tun, packt es an – oder fahrt mal auf die Place de Gaulle. Rolf Lautenschläger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen