piwik no script img

GlosseMy very first Andi

■ Ich hab auch eins. Endlich mitreden, vibrieren, glücklich sein

„Musst du auf Andi anrufen!“, sagte die japanische Mutter von S. O weh, dachte ich, jetzt hat die Handywelle mit einer Verspätung von schlappen zwei Jahren auch meinen technikresistenten Freundinnenkreis erreicht.

Dabei gruselte mich allerdings weniger die Vorstellung, S. würde damit beginnen, regelmäßig Verabredungen abzusagen oder um ein paar Stunden zu verabschieden. „Man kommt doch wirklich oft in Situationen, wo so ein Ding ganz nützlich wäre“ meint in der Regel nicht „Es könnte ja sein, dass ich bei einer Gasexplosion in die unterste Etage verschüttet werde und mobil meine Rettung herbeitelefonieren kann“ sondern „Toll, ich kann mich verabreden und in letzter Sekunde entscheiden, dass ich Besseres vorhabe“. Nee, das war es nicht. Ich sorgte mich auch nicht vor peinlichen Situationen, wenn S. neben mir im Bus wie eine Dreizehnjährige auf Plateau-Turnschuhen ohne Schamgefühl SMS in rosa Plastik hämmern würde. Nein.

Wovor ich wirklich Angst hatte, war die Gewissheit, dass mich nun nichts mehr davon abhalten würde, sofort selbst in den nächstbesten Mobiltelefon-Shop in der Obernstraße zu laufen.

Ohne jeden Sachverstand wäre ich der Verkaufsstrategie windiger Handy-Verkäufer ausgeliefert, die mir innerlich breit grinsend versichern würden, ich müsste schon das Nokia mit Infrarotschnittstelle für 249 Mark nehmen, und am besten wäre ein Zehnjahresvertrag, das käme echt am günstigsten. Hilflos würde ich um mich blicken und verzweifelt nach Entscheidungskriterien suchen. Will ich damit angeben, Kurznachrichten mit Fun-Funktion verschi-cken, im Internet surfen, Börsennachrichten lesen, Klassik-Gassenhauer in Digital-Akustik durchdängeln oder soll es angenehm vibrieren?

Schüchtern würde ich den Verkäufer zur Seite ziehen. Ob sie unter dem Ladentisch auch eins zum Telefonieren hätten? Das würden alle hören im Laden, mit Handys nach mir schmeißen und mich zwingen, 100 Kurznachrichten an ausgewählte Idioten zu verschicken.

Mein Andi ist von Sony, hat einen Jog-Dial, kann Klingeltöne aufnehmen, Anrufe umleiten und das beste: Niemand hat meine Nummer. Eiken Bruhn

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen