Gipfeltreffen in Paris: Europa sucht Weg aus der Krise
Auf einem Gipfeltreffen wollen Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien Maßnahmen gegen die Finanzkrise beraten. Klar ist, dass es ein Mehr an Aufsicht und Regeln geben soll.
Der "Neugründung des Finanzkapitalismus", die Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy bei einem Krisengipfel mit den europäischen G-8-Staaten am Samstagnachmittag in Paris anpacken will, eilt Kakofonie voraus. Insbesondere die Idee eines europäischen Rettungsfonds für die Banken ist umstritten. Paris hat mit einem 300 Milliarden Euro schweren Paket geliebäugelt. Berlin weist dergleichen empört von sich. Auch andere europäische Finanzpolitiker erklären Bankenrettungen für nationale Angelegenheiten. Aus durchsichtigen Motiven ist hingegen die Deutsche Bank einer solchen öffentlichen Intervention gegenüber aufgeschlossen.
Der Krisengipfel im Élysée-Palast wird ein Vier-plus-drei-Treffen. Teilnehmen werden die vier europäischen G-8-Staaten, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien, sowie die Chefs von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und der Finanzministergruppe der Euro-Zone. Der amtierende EU-Ratspräsident Sarkozy hat sie eingeladen.
Nachdem er die Befassung mit der französischen und internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise lange seiner Regierung überlassen hatte, will Sarkozy nun die Regeln für den "Finanzkapitalismus" neu definieren. Den Anfang machte er mit einer Rede in Toulon, bei der er nach dem Motto vorging: Links blinken und rechts überholen. Bei der Lagebeschreibung lieh er sich Vokabeln von links, dann kündigte er eine Beschleunigung der Sparpolitik in Frankreich nach den Regeln seines rechten Programms an.
Der EU-Krisengipfel ist Sarkozys Versuch, sowohl den Finanzmärkten als auch der öffentlichen Meinung zu suggerieren, dass die EU etwas unternimmt, um die Bankenkrise einzudämmen. Sein für Europafragen zuständiger Staatssekretär Jean-Pierre Jouyet erklärt, der Gipfel werde sich unter anderem mit den Eigenfonds der Banken und mit ihrer Kreditkapazität befassen. Sarkozy hofft außerdem, dass er die USA trotz Wahlen zu einem erweiterten G-8-Gipfel im November bewegen kann. Er will auch seinen Vorschlag erneuern und die "goldenen Fallschirme" für gescheiterte Spitzenmanager verbieten.
Im Vorfeld des Krisentreffens zeichnet sich ab, dass sich die vier G-8-Staaten in der EU darin einig sind, den "freien und unverfälschten Wettbewerb", der die Grundlagentexte der EU bestimmt, als Anpassungsgröße zu betrachten. Angesichts der Bankenkrise sind alle Gipfelteilnehmer bereit, diese Regel auszusetzen. In Paris werden vom Präsidenten der EU-Kommission, José Manuel Barroso, sonst gestrenger Verteidiger des "freien Wettbewerbs", punktuelle Erleichterungen beim Wettbewerbsrecht erwartet.
Doch in Detailfragen ist die Übereinstimmung schnell zu Ende. Die französische Finanzministerin Christine Lagardere, die sich am Mittwoch für einen 300-Milliarden-Rettungsfonds aussprach, löste in den übrigen Hauptstädten heftige Kritik aus. Am schärfsten in Berlin. Dort plädieren die christdemokratische Bundeskanzlerin und der sozialdemokratische Finanzminister unisono für nationale Antworten auf die Bankenkrise. Wenn jeder EU-Staat 3 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes in einen Fonds zahlen würde, wie ihn Sarkozy vorschlägt, wären das für Deutschland rund 75 Milliarden Euro.
Am Vortag des europäischen Krisengipfels standen auch in Frankreich nationale Probleme im Vordergrund. Die Konjunkturforscher haben ihre Wachstumserwartungen für 2008 auf 0,7 Prozent zurückgenommen, die Arbeitslosenzahlen steigen. Das Statistikamt Insee konstatiert im dritten Quartal in Folge einen Rückgang der Wirtschaftsleistung - nach technischer Definition eine Rezession.
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