: „Gigantische Sparbüchse der Szene“
■ Schwierigkeiten mit der Öko-Bank: Zu wenig Kreditwürdige, zu viel Zentralismus / 'Contraste‘ sammelt Sünden
Allein ein Blick auf die Bilanz der Ökobank zeigt, daß Anspruch und Wirklichkeit weit auseinanderklaffen. Zwar sind auf den Konten in einem Jahr stolze 50 Millionen Mark bewegt worden, doch nur 8,5 Millionen (Stand: Ende März 1989) flossen in Form von Krediten an die Kundschaft. Das selbstgesteckte Ziel von 19 Millionen Mark vergebener Mittel wurde weit verfehlt. Noch düsterer sieht es bei den „Förderdarlehen“ aus. Um die Leistungsfähigkeit der Bank zu erhöhen, hatten sich im ersten Geschäftsjahr die Anleger von 11,5 Milionen Mark mit einem niedrigeren Zinssatz zufriedengegeben. Doch von dieser erstaunlichen Summe kamen nur 3,05 Millionen Mark besonders bedürftigen und förderungswürdigen Projekten zugute.
Wenn die Turnschuh-Banker die Summe der bei der Ökobank eingelegten Gelder auf stolze 38 Millionen Mark bilanzieren, sagt dies also mehr aus über die Liquidität der „Szene“ und ihre Bereitwilligkeit, anderen Banken ihr Geld zu entziehen, als über einen anderen Umgang mit dem Geld. „Das Geld ist im Wirtschaftskreislauf“, verkündet Ökobank-Pressesprecher Torsten Martin zwar in einem Mitte Mai in der Zeitschrift 'Contraste‘ erscheinenden Interview, doch KritikerInnen nennen die Ökobank inzwischen eine „gigantische Sparbüchse der Szene“. In Wirklichkeit liegt der größte Teil als Festgeld bei der Bank für Sozialwirtschaft, und der Rest ist in Kommunalobligationen von privaten Hypothekenbanken angelegt - „bei denen wir letztendlich nicht geprüft haben, ob die ein Stück weit ein Atomkraftwerk irgendwo mitbauen“, so Martin.
Angesichts der Zahlen erweist sich der Anspruch der Bank, Gelder in Projekte der Szene zu pumpen, zumindest nach dem ersten Jahr als unerfüllt. Die Gelder der Bewegung müssen endlich in Bewegung gesetzt werden, fordern denn auch die KritikerInnen. Karl Bergmann vom Alternativprojekt „Krebsmühle“ in Oberursel bei Frankfurt fände eine Tendenz „fatal, bei der am Schluß 30 oder mehr Millionen, irgendwo fest angelegt, ein halbes Prozent Zinsgewinn bringen und damit nur dem Zweck dienen, ein 15- oder 20köpfiges Bankteam recht und schlecht am Leben zu halten“.
Vorgestellt hatte es sich Bergmann, einer der MitbegründerInnen der Ökobank, so nicht. Enttäuscht über die Kreditvergabepolitik wandte er sich im März 1989 an die Öffentlichkeit. In der Monatszeitung 'Contraste‘, einem in Heidelberg erscheinenden Blatt für die Selbstverwaltungs -Szene, kritisierte Bergmann die Hinhaltetaktik und die strengen Maßstäbe der Ökobank, wenn es um die Vergabe von Krediten geht. Im Frühjahr letzten Jahres stand bei der Krebsmühle die Renovierung eines Gebäudeteils an, um dort den EDV-Bereich des Projekts unterzubringen. 110.000 Mark mußten finanziert werden, die sich aufgrund der zu erwartenden Mieteinnahmen innerhalb von zehn Jahren gerechnet hätten. Ein solides Geschäft für die Ökobank, dachten die Projektler der Krebsmühle. Doch weit gefehlt. „Noch nie wurden uns von einem Finanzier so massiv Wirtschaftlichkeits- und Effizienzkriterien reingedrückt“, beklagt sich Bergmann über die Vergabepolitik der Ökobank. Die Organisation der 110.000 Mark über die Ökobank habe nicht nur mehr Zeit gekostet als die der gesamten anderen Fremdmittel von drei Millionen Mark - die Ökobank habe auch die meisten Zinsen genommen. Bergmann warf der Bank vor, sie würde „Geld in den Tresoren verbunkern“.
Das Problem der Kreditvergabe hatte zur Eröffnung der Bank bereits Marlene Kück, Vorstandsmitglied der Bürgschaftsbank für selbstverwaltete Betriebe in Berlin, angesprochen. Die Bank könne nur „wasserdichte Projekte finanzieren, die genug Sicherheiten haben, um die Kredite wieder zurückzuführen. Und solche Betriebe bekommen ja ihr Geld auch bei traditionellen Banken.“ Und sie nehmen es auch, denn potentielle Kreditnehmer ziehen aus zeitlichen und rechnerischen Gründen etablierte Geldinstitute der Ökobank vor. So lehnte das Hamburger alternative Wohnungsbauunternehmen „Stattbau“ bereits im vergangenen Jahr einen von der Ökobank in Aussicht gestellten Kredit ab. „Zu teuer“, befand „Stattbau„-Geschäftsführer Herbert Brinkmann, „wir haben uns im Interesse unserer Mieter für das Angebot einer anderen Geschäftsbank entschieden.“ Angesichts solcher Sachzwänge prophezeite Marlene Kück der Ökobank einen geringen ökonomischen Nutzen.
Doch auch die Ökobank als politisches Projekt geriet in die Schußlinie der Kritik. „Bank zwischen Müsli und Jäger 90“, titelte 'Contraste‘ im letzten Dezember und warf der Bank den ersten „Sündenfall“ vor. Durch die Zusammenarbeit mit der den Raiffeisen- und Volksbanken angegliederten „R&V -Versicherungen“ habe sich die Bank auf einen Partner eingelassen, der indirekt mit der Rüstungs- und Atomwirtschaft verflochten ist - die R&V-Versicherungen haben Teile ihre Gelder in Wertpapierfonds angelegt, die wiederum Aktien etwa von Daimler-Benz oder südafrikanischen Goldminen enthalten. „Kein Geld in die Rüstung, kein Geld in den Apartheidstaat, kein Geld in die Atomwirtschaft“, hatte das Motto der Ökobank einmal geheißen. „Wenn man im Wirtschaftsgefüge der Bundesrepublik steckt, wird es nicht durchzuhalten sein, daß man niemals mit diesen Bereichen in Berührung kommt“, räumte Pressesprecher Martin ein. Gerade die Kooperation mit den R&V-Versicherungen hatte zudem die „Fairsicherungsläden“ verprellt. Jahrelang hatte der Zusammenschluß unabhängiger, alternativer Versicherungsagenturen für die Ökobank geworben, um dann zusehen zu müssen, wie die Ökobank ihre Versicherungsvermittlung ohne sie betreibt.
Ein Großteil der heute auftretenden Konflikte war bereits vor der Gründung der Ökobank vorprogrammiert. Durch die Selbstbeschränkung der Bank (90 Prozent der Kreditvergabe für den Großraum Frankfurt) sahen die VorkämpferInnen der alternativen Bank in der übrigen Republik bereits den Keim von Zentralisierungstendenzen. So forderten die Landesverbände des Vereins „Freunde und Förderer der Ökobank“ noch vor der Bankeröffnung in Frankfurt die schnellstmögliche Gründung regionaler Zweigstellen. Ab Mai 1990 ist jetzt mit den ersten Filialen zu rechnen; dann soll nach und nach eine „bundesweite Universalbanktätigkeit“ (Martin) angestrebt werden.
Viele der alten Landesverbände fühlen sich jedoch ausgenutzt. Jahrelang hatten sie für Einlagen in die Bank geworben, um dann zusehen zu müssen, welch geringes Interesse die Ökobank-Geschäftsführung den Regionen zumißt, beklagen sie sich. Und in ihr Bild paßt es auch, daß nach der Auflösung des Ökobank-Gründervereins im Oktober 1988 die Strukturen nicht dezentralisiert wurden, sondern die Bank den „Frankfurt-orientierten“ Verein den Frankfurt-lastigen neuen Verein „Oekonovia“ bevorzugte.
Um dem entgegenzuwirken, fordern die Unzufriedenen - die sich um die 'Contraste'-Redaktion gesammelt haben - neben dem Aufsichtsrat einen „Dezentralbankrat“, der eine basisoffene Informationspolitik der Bank gegenüber den Regionen gewährleisten und die Arbeit des derzeitigen Regionalbeauftragten unterstützen soll - der ebenfalls noch in Frankfurt sitzt. In der Region, so 'Contraste‘, „ist aber auch das Gros der aktiven GenossInnen, das die Bank mitaufgebaut hat und nun mit Recht auf die Präsenz der realen Ökobank pocht“.
'Contraste'“ will eine Art „WächterInnenamt vor dem Tresor der Ökobank“ übernehmen, da die Hauszeitschrift 'Ökorrespondenz‘ weniger der Information über Inhalte und Strukturen der Bank als vielmehr als reines Marketinginstrument diene. Schon jetzt sieht Kurt Regenauer von der Nürnberger Redaktion die Lebendigkeit innerhalb der Genossenschaft, die demokratischen Binnenstrukturen und damit eine gemeinsame „Kritik der reinen Bank“ in Gefahr.
In der Tat ist das Desinteresse der SparerInnen am Schicksal der Ökobank groß. Nur ein Bruchteil der geladenen GenossInnen beteiligte sich an der März-Wahl zur Delegiertenversammlung, die über Ernennung und Abwahl des Aufsichtsrats und damit über die Geschäftspolitik der Bank entscheidet. Wenn diese Entwicklung sich fortsetzt, so Regenauer, könne die „Bank gleich an die Börse gehen und das 'Öko‘ als das benutzen, was es sicher auch ist - ein glänzendes Marketingsinstrument“.
Bernd Siegler
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