Giftmüll-Umzug: Länder streiten über Asbesthalde
Niedersachsen kritisiert Annahme-Verweigerung durch Mecklenburg-Vorpommern. Gutachten: Schweriner Landesregierung kann Transport verbieten.
HAMBURG taz | Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern streiten über die Verlagerung einer Asbestmüll-Halde von Wunstorf bei Hannover in die Nähe von Lübeck. Der designierte niedersächsische Umweltminister Stefan Birkner (FDP) warf der Schweriner Landesregierung in der Bild-Zeitung vor, sie betreibe "Kirchturmspolitik", weil sie die Annahme des Giftmülls aus nicht-sachlichen Gründen ablehne. Ein Schweriner Regierungssprecher wies das unter Verweis auf ein Gutachten zurück, das seine Landesregierung in Auftrag gegeben hatte.
Das inzwischen veröffentlichte Gutachten stellt fest, dass der Transport des asbesthaltigen Schlamms in Fahrzeugen, die lediglich mit Planen zugedeckt sind, rechtswidrig sei: Bei dem Transport dürften nur so viele Asbestfasern in die Luft gelangen, dass der Grenzwert für die Freigabe von Innenräumen nicht überschritten werde. Der TÜV hatte unter den Planen ein wenig mehr gemessen.
Bevor eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden könne, müssten die Risiken besser untersucht werden. Die niedersächsischen Behörden könnten den Transport zwar grundsätzlich genehmigen; die Behörden Mecklenburg-Vorpommerns könnten aber die Fahrten auf ihrem Territorium verbieten.
Der Streit dreht sich um die Produktionsrückstände der Firma Fulgurit. Von 1912 bis 1973 stellte sie in Wunstorf-Luthe Asbestzement her. Die Abfälle kippte sie in ein Becken neben der Fabrik, wo sie sich über die Jahrzehnte zu einer zehn Meter hohen Halde auftürmten. Um zu verhindern, dass Asbestfasern von der Halde verweht werden, wurde diese mit einer dünnen Schicht Mulch überdeckt.
Der Plan: Eine komplette Deponie mit 135.000 Tonnen Asbestzementschlamm und 25.000 Tonnen asbesthaltigen Scherben soll umziehen.
Der Transport: Mehrere Tausend LKW-Fahrten über mehr als 200 Kilometer wären nötig.
Das Ziel: Lagerung auf den Sondermüll-Deponien Ihlenberg (ehemals Schönberg) in Mecklenburg-Vorpommern und Rondeshagen in Schleswig-Holstein.
Die Region Hannover hält die Asbesthalde für sanierungsbedürftig. Sie befürchtet, dass die Abdeckung aufbrechen könnte. Zudem könnte das Sickerwasser aus der Deponie Arsen aus dem Untergrund lösen und in das Grundwasser spülen. Die Region befürchtet, dass die Kosten einer solchen Sanierung an ihr hängen bleiben würden.
Eine Verlagerung würde die Region zwar immer noch 3,8 Millionen Euro kosten und die Gemeinde Wunstorf 150.000; aber auch das Land wäre mit 1,6 Millionen dabei, die EU mit 2,9 Millionen und der künftige Eigentümer des Geländes - eine Spedition - mit 670.000 Euro.
Eine Änderung der "Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle" der Bund / Länder-Arbeitsgemeinschaft (Laga), die Niedersachsen eigens für die Verlagerung durchsetzte, bleibt nach Ansicht der Gutachter unterm Strich ohne Wirkung. Sie beziehe sich nur auf die Ablagerung des Asbests - nicht auf dessen Transport. Daher gelte nach wie vor, dass der Müll in "sicher verschließbaren Behältern" transportiert werden müsse.
Ein Teil des Mülls sollte auf die schleswig-holsteinische Deponie Rondeshagen gehen, die von Hamburg mit betrieben wird. Laut Hamburger Umweltbehörde ist ein Liefer- und Annahmevertrag zustande gekommen.
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