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Archiv-Artikel

Giftige Post vor Ostern

Bildungsbehörde schlägt Schließung von zwölf Schulen vor, sechs weitere sollen einmalig keine neuen Klassen einrichten. Kritik von GAL-Politikerin Christa Goetsch: Sie fordert Schulplanung von unten, sonst drohe ein Flächenbrand an Protesten

von KAIJA KUTTER

Dass es in Hamburg eine umfassende Schulentwicklungsplanung geben soll, ist seit Anfang April bekannt. Die neue Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos) setzte vor zwei Wochen eine interne Kommission ein, die eine Konzeption für die nächsten zehn Jahre vorlegen sollte. Diese langfristigen Vorschläge sollten frühestens im übernächsten Schuljahr umgesetzt werden. Doch nun soll alles ganz schnell gehen.

Noch am Donnerstag vor Ostern erhielten 24 Schulen Post von der Behörde mit sehr unangenehmen Nachrichten. Sechs Schulen sollen wegen zu geringer Anmeldezahlen nach den Sommerferien zunächst einmalig keine neuen Klassen einrichten. Zwölf Schulen wird von der Bildungsbehörde gar das endgültige Aus angekündigt, weitere sollen zusammengelegt werden (siehe Kasten). „Das sind Vorschläge. Die Schulen haben bis Mitte Mai Zeit, Stellung zu nehmen“, beschwichtigt Bildungsbehördensprecher Hendrik Lange. Erst dann werde die Behörde der Schuldeputation „Empfehlungen“ vorlegen, welche Schulen aufgegeben werden sollen.

Dass es im Rahmen der jährlichen Schulorganisation auch zu Schließungen kommt, ist nicht ungewöhnlich. Schulen müssen je nach Schulform bestimmte Mindestanmeldezahlen haben, damit Klassen gebildet und Lehrerstunden effizient verteilt werden können. Doch eine Streichliste in solch einem Umfang hat es bisher nicht gegeben.

„Da werden wohl auch Haushaltszwänge eine Rolle spielen“, vermutet die Langenhorner Schulleiterin Wiebke Koch-Gimpel. Ihr Gymnasium hat in diesem Jahr nur 37 Anmeldungen für die fünfte Klasse, zu wenig, um zwei idealtypische Klassen à 25 Schüler zu bilden. Doch laut Schulgesetz soll in solch einem Fall zunächst ein Jahr abgewartet werden, bevor eine Schulschließung beschlossen wird. Was laut Koch-Gimpel auch sinnvoll sei, denn in beiden Vorjahren hatte die Langenhorner Schule weit über 50 Anmeldungen. Zudem verwundert es, dass diese Schule und nicht das nur wenige Kilometer entfernte Gymnasium Alstertal auf der Liste landete, welches ebenfalls nur 37 Anmeldungen aufzuweisen hat.

Manche Schulleiter wie Jürgen Wurl nahmen die vorösterliche Post recht gefasst auf, hatte seine Haupt- und Realschule Berne doch schon länger ein Nachfrageproblem. Als so genannte „schulorganisatorische Maßnahme“ durfte Wurl schon im Vorjahr keine neuen fünften Klassen einrichten und hofft nun auf eine Zukunft als reine Grundschule. Doch für andere Standorte, wie beispielsweise die Grundschule Beltgens Garten in Hamm, kam die schlechte Botschaft völlig unerwartet. Die Schule hatte in diesem Jahr ebenfalls erstmals zu wenig Anmeldungen für eine Klasse, was bisher kein Schließungsgrund war.

„Standortplanung ist ein sehr sensibles Geschäft. Sie darf nicht von oben verordnet werden“, mahnt die GAL-Politikerin Christa Goetsch. Sie will am nächsten Mittwoch in der Bürgerschaft beantragen, dass die Schulplanung „vom Kopf auf die Füße“ gestellt wird und – mit engem Zeitplan bis Dezember – von den elf Regionalkonferenzen unter Beteiligung von Kreiselternräten und Schulleitungen erarbeitet wird. Diese Basisbeteiligung, bei der auch Jugendhilfe und die Stadtentwicklung mitwirken sollen, sei nötig, so Goetsch, um „Transparenz“ herzustellen und beispielsweise zu erklären, weshalb die eine Schule geschont wird, die andere aber nicht. Goetsch: „So wie es jetzt läuft, ist ein Flächenbrand an Protesten programmiert.“