Gift im Hühnerfutter: Die Spur des Dioxins

Giftiges Fett im Hühnerfutter war Abfallprodukt bei der Herstellung von Biodiesel. Verbraucherschützer fordern verschärfte Haftung und bessere Kontrollen. 1.000 Höfe in Niedersachsen gesperrt.

Henne und Ei: Was drin steckt, ist manchmal unerquicklich. Bild: Marcus Gloger/JOKER

Die Spur im neuen Dioxin-Lebensmittelskandal führt zur Biodiesel-Raffinerie Petrotrec in Emden. Fettsäuren, die bei der Treibstoff-Herstellung übrig blieben, verkaufte sie an einen niederländischen Händler, der sie an einen Futtermittelhersteller in Uetersen bei Hamburg weiterverkaufte. Dieser verschickte das Futter an Hühnerhöfe in Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt. An welcher Stelle das Dioxin in die Produktionskette geriet, ist unklar. Die Kieler Staatsanwaltschaft ermittelt.

Der Futtermittel-Hersteller Harles & Jentzsch hatte den Dioxin-Fund im Dezember dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium gemeldet. Das Gift war demnach bei einer Routine-Kontrolle aufgefallen. Das Ministerium informierte die betroffenen Bundesländer, die ihre Kontrolleure in die belieferten Ställe schickten. Dioxin ist seit der Seveso-Katastrophe in Norditalien bekannt. Der Stoff ist schon in winzigen Mengen gefährlich. Er gilt als Krebs erregend und reichert sich im Körper an.

Niedersachsen hat wegen der Dioxin-Funde vorsorglich 1.000 Agrarbetriebe gesperrt. Darunter sind nicht nur Legehennen-Höfe, sondern auch Schweine- und Putenmastereien. Nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums dürfen die Höfe erst wieder Ware ausliefern, wenn sicher ist, dass diese nicht vergiftet ist. Bei Tests war bis Montagnachmittag in einer von 18 Proben ein überhöhter Dioxin-Gehalt festgestellt worden. Auch in den anderen Ländern wurden Höfe gesperrt.

Fett wird dem Tierfutter als Energielieferant beigemischt. Rechtlich gälten dabei dieselben Anforderungen wie für menschliche Nahrung, sagt Bernhard Krüsken vom Deutschen Verband Tiernahrung (DVT). Wenn Biodiesel produziert werde, fielen eine Reihe von Fettsäuren ab, die einen Wert für die Ernährung hätten - und etwa auch bei der Herstellung von Salatöl verwendet würden. Sie könnten deshalb verkauft werden. "Jemand, der solche Produkte in Verkehr bringt, ist auch ein Futtermittelunternehmen und den entsprechenden Sorgfaltspflichten unterworfen", sagt Krüsken.

Die Biodiesel-Raffinerie Petrotrec versichert, das Fett gar nicht als Lebensmittel ausgeliefert zu haben. "Wir verkaufen unsere Fettsäuren für technische Zwecke: Das steht im Vertrag, in der Rechnung und im Lieferschein", sagt Pressesprecher Michael Fiedler-Panajotopoulos. Petrotec sei darauf spezialisiert, altes Fett zu verarbeiten und habe mit der Produktion von Lebensmitteln nichts zu tun. "Wenn jemand ein technisches Produkt als Lebensmittel verkauft hätte, wäre das kriminell", sagt Fiedler-Panajotopoulos.

sind chemisch ähnliche Verbindungen, die aber unterschiedlich giftig sind.

Als Langzeitwirkungen wurden etwa Störungen des Immunsystems, schwere Erkrankungen der Haut, der Atemwege, der Schilddrüse und des Verdauungstraktes festgestellt. In Tierversuchen erregten sie Krebs.

Das Seveso-Gift TCDD (2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin) ist der bekannteste Vertreter der Gruppe. Im Tierversuch war es schon in einer Konzentration von einem Millionstel Gramm pro Kilogramm Körpergewicht tödlich.

Entstehung: bei Verbrennungsprozessen mit Chlor und organischem Kohlenstoff, aber auch bei Waldbränden und in Vulkanen.

Nach den Erkenntnissen der Verbraucherorganisation Foodwatch ist Öl ein Standardweg, auf dem Dioxin ins Futter gerät. Der andere sei die Trocknung des Futters, bei der bisweilen Umweltvorschriften missachtet würden - wie vermutlich beim letzten Skandal im Mai 2010. Um Dioxin in der Nahrungskette auszuschließen, müsste aus Sicht der Organisation am Anfang, bei den Futtermittel-Zutaten, angesetzt werden. "Wir fordern, dass man jede Charge einer Zutat eines Futtermittels auf Dioxine testet", sagt Foodwatch-Sprecherin Christiane Groß. Bloße Stichproben reichten nicht.

Wie Ministeriumssprecher Hahne bestätigt, ist ein Dioxin-Test mit rund 500 Euro nicht gerade billig. Die Gefährlichkeit des Stoffes rechtfertigt aus Sicht von Foodwatch jedoch flächendeckende Tests. "Die Dioxin-Belastung der Bevölkerung bewegt sich am oberen Rand dessen, was die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für gerade noch akzeptabel hält", warnt Groß.

Die Verbraucherschützerin schlägt vor, die Haftungsvorschriften zu ändern. "Futtermittelhersteller sollten dafür haften, dass die Zutaten, die sie einsetzen, den gesetzlichen Bestimmungen genügen", sagt sie. Hierfür könnten sie entweder gezwungen werden, nur zertifizierte Ware anzunehmen oder Lieferungen selbst zu testen.

Harles & Jentzsch-Geschäftsführer Siegfried Sievert behauptet, gelegentlich Fettsäure aus der Biodiesel-Produktion erworben zu haben. Woher das Dioxin stamme, sei ihm unerklärlich, sagte er der DPA. Im üblichen Produktionsprozess entstehe Dioxin nicht. Harles & Jentzsch liefere laut Sievert zurzeit nur mit Zertifikaten ausgewiesene Futtermittel aus, "die unser Tanklager nicht berühren". Ob weitere Partien dioxinbelastet seien, sei noch offen.

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