Gewalt im Irak: Anschlag auf Pilger im Trauermonat

Eine Selbstmordattentäterin tötet im Irak kurz vor hohen schiitischen Feiertagen zahlreiche Menschen. Die Gewalt nimmt wieder zu. Bald finden Provinzwahlen statt.

Schiitische Pilger in der irakischen Stadt Kerbala, unweit von Bagdad. Bild: reuters

Ein schwerer Anschlag hat am Sonntag den Bagdader Stadtteil Kadhimija erschüttert, wo in diesen Tagen tausende von Schiiten einen der höchsten Feiertage in ihrem religiösen Kalender begehen. Der Selbstmordanschlag vor der Moschee von Imam Musa Kadhim forderte nach Behördenangaben mindestens 35 Tote und mehr als 60 Verletzte. Die meisten Opfer seien iranische Pilger, sagte der Sprecher für die Sicherheitsoperationen in Bagdad, Generalmajor Kassem Atta. Die Tat wurde laut Atta von einer Selbstmordattentäterin verübt.

Die Moschee mit ihren vergoldeten Kuppeln und Minaretten im Nordwesten Bagdads ist eines der bedeutendsten schiitischen Heiligtümer. Zwei schiitische Imame sind hier bestattet, weshalb sie ein großer Anziehungspunkt für Schiiten aus der ganzen Welt ist. Die Schiiten begehen zurzeit den Trauermonat Muharram, in dem sie an den Tod von Imam Hussein bei der Schlacht bei Kerbala im Jahr 680 erinnern. Höhepunkt der Trauerrituale ist Aschura, der Todestag von Hussein, der auf den Dienstag fällt.

Seit dem Sturz von Saddam Hussein ziehen die Heiligtümer in Kadhimija, Kerbala und Nadschaf jährlich hunderttausende von Pilgern an. Es ist dieser sichtbare Ausdruck des schiitischen Revivals im Irak, der unter den Sunniten des Landes, die den Irak jahrhundertelang beherrscht hatten, für Argwohn sorgt. Vor vier Jahren verübten sunnitische Extremisten am Aschura in Kadhimija und Kerbala eine Serie von Anschlägen, die mehr als 150 Tote forderten und eine Welle der Gewalt auslösten, die den Irak schließlich an den Abgrund eines Bürgerkriegs führte.

Die Gewaltspirale scheint für den Augenblick durchbrochen. Als Zeichen der Versöhnung zwischen Schiiten und Sunniten hatten die Behörden erst im Dezember die Brücke über den Tigris wieder eröffnet, die das schiitische Kadhimija mit dem sunnitischen Adhamija verbindet. Die Brücke war gesperrt worden, nachdem während einer Massenpanik im Augsust 2005 mehrere hundert Pilger starben.

Nachdem die Anschläge in den letzten Monaten stetig zurückgingen, haben sie in jüngster Zeit erneut zugenommen. Erst in der vergangenen Woche forderte ein Autobombenanschlag in Kadhimija mindestens 18 Tote. In der Nacht auf Sonntag tötete ein Sprengsatz zwei schiitische Pilger. Am Freitag hatte ein Selbstmordattentäter bei einem Treffen von sunnitischen Stammesscheichs südlich von Bagdad 22 Personen in den Tod gerissen. Die Scheichs wollten dabei Vertreter für ein Versöhnungstreffen mit dem schiitischen Regierungschef wählen.

Wie ein Mantra wiederholen die Amerikaner seit Monaten, dass die Lage im Irak weiterhin fragil sei. Zum Jahresbeginn ist jedoch das Sicherheitsabkommen zwischen beiden Ländern inkraft getreten, das vorsieht, dass sich die US-Kampftruppen bis Mitte des Jahres aus den Städten abziehen. So sehr sich viele Bagdader den Abzug der Amerikaner wünschen, so sehr sehen sie dem Tag auch mit Sorge entgegen.

Wie in allen mehrheitlich arabischen Provinzen des Landes herrscht in Bagdad zurzeit Wahlkampf. Überall hängen Plakate und Transparente - insgesamt über 400 Listen und mehrere tausend Kandidaten bewerben sich für die rund 400 Sitze in den 14 Provinzräten. Erstmals treten dabei auch Schiiten gegen Schiiten und Sunniten gegen Sunniten an. Hinter den Kulissen wird bereits um künftige Allianzen gerungen. Viele Hauptstädter genießen die vergleichsweise ruhige Lage in Bagdad, indem sie auch noch spätabends ausgehen. Aber viele trauen den Politikern nicht zu, dass sie den politischen Machtkampf ohne Blutvergießen austragen werden.

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