Gewässerschutz: Streit um Salzlauge

Der Düngemittelriese K+S verseucht Werra und Weser mit Kalilauge. Versuche den Konzern zu stoppen, scheitern am Streit der betroffenen Bundesländer. Vor allem Hessen und Thüringen stellen sich quer.

Hier fließt Salzlauge in die Werra - notwendiger Preis für Arbeitsplätze behauptet Kaliproduzent K+S. Bild: dpa

Seit Jahrzehnten dienen Werra und Weser als Abwasserkanäle. Die größten Probleme machen Schadstoffe aus der Landwirtschaft und salzhaltige Abwässer der Kaliindustrie. Allein der Düngemittelkonzern K + S produziert mit seinen Bergwerken in Nordhessen und Thüringen pro Jahr 14 Millionen Liter Salzlauge. Eine Hälfte wird in den Boden verpresst, die andere in die Werra gekippt.

Die Brühe verseucht das Trinkwasser und dezimiert das Ökosystem bis hinauf zur Weser-Mündung. Betroffen sind fünf Bundesländer. Nun versuchen Politik, Umweltverbände und Fischer den Irrsinn zu stoppen. Doch K + S hält dagegen, mit List, Sturheit und dem Verweis auf 5.000 Arbeitsplätze.

Der letzte Versuch das Dax-Unternehmen an die Kandare zu legen, ist auf den 11. November datiert. Der Runde Tisch "Gewässerschutz Werra / Weser und Kaliproduktion", ein Gremium aus Politik, Wirtschaft, Kommunen und Interessengruppen, wollte

Das Dax-Unternehmen K+S (Sitz Kassel)

machte 2008 einen Umsatz von 4.794 Milliarden Euro;

produziert mit 15.000 Mitarbeitern pro Jahr acht Millionen Tonnen kali- und magnesiumhaltige Düngemittel und Industrieerzeugnisse sowie 5 Millionen Tonnen Salzprodukte.

Dazu gehören die Kali-Salzbergwerke Werra mit Standorten an der Grenze von Hessen und Thüringen. Es ist das größte Kali-Abbaugebiet der Welt und hat etwa die Abbaufläche des Großraumes von München. Im hessischen Neuhof plant K + S eine neuen Leitung, die zusätzlich 500 000 Kubikmeter Salzabwässer in die Werra leiten soll.

K + S verpflichten, Verpressung und Verklappung im Jahr 2020 einzustellen. Stattdessen sollen die betriebsinternen Entsorgung auf den neusten Stand gebracht und die Restabwässer über eine 400 Kilometer lange Pipeline in die Nordsee geleitet werden.

Die Idee scheiterte. Zu viele Parteien kochen in dem Gremium ihr eigenes Süppchen. Vorrangig Hessen und Thüringen, wo die meisten Arbeitsplätze liegen. Die Länder hatten schon im Vorfeld mit K+S eine Art Separatfrieden geschlossen. Er basiert auf dem, was die Propagandaabteilung des Konzern unter dem Slogan "Neue Integrierte Salzabwassersteuerung" verkauft. Das Wortungetüm besagt, K + S verpflichtet sich, 360 Millionen Euro in neue Technik zu investieren und die Salzwassermenge von 14 Millionen Kubikmetern im Jahr bis 2015 zu halbieren.

Das hört sich gut an, ist aber vorsätzliche Augenwischerei. Denn wenn ein Teil der Lauge nicht mehr in den Untergrund gepresst werden kann, wird sich die Salzfracht im Flusswasser kaum verringern. Außer man baut eine Pipeline. Dazu mag sich K+ S nicht verpflichten. Das heißt "wir lehnen das nicht grundsätzlich ab", sagt Konzern-Sprecher Ulrich Göbel, doch man wolle so ein Projekt erst einmal auf Herz und Nieren prüfen. "Technisch, ökologisch und betriebswirtschaftlich." Vor allem betriebswirtschaftlich. Das Rohr kostet mindestens 500 Millionen Euro. Hessen und Thüringen hätten sich am runden Tisch mit der Pipeline durchaus anfreunden können, immerhin wären sie mit einem Schlag ihre Salzlauge losgeworden.

Am Ende scheiterte die Einigung an Niedersachsen. Zum einen war Umweltminister Hans-Heinrich Sander stocksauer, weil er an der bilateralen Vorab-Kungelei nicht beteiligt wurde. Zum anderen hält er eine Pipeline für "völlig untauglich", um das Problem zu lösen. "Dann haben wir das ganze Salz in der Wesermündung", glaubt Sander. Das in der

K + S-Lauge enthaltene Kalium und Magnesium fördere das Algenwachstum und "schädigt damit die Muschelbänke", präzisiert seine Abteilungsleiterin Almut Kottwitz.

Ein Argument, das man in Bremen nicht nachvollziehen kann. Im Falle eines Pipelinebaus, weiß Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne), wird die Weser bei uns "dann wieder eine Qualität aufweisen, die es erlaubt, Weserwasser als Rohwasser für die Trinkwasserproduktion zu nutzen".

Sander ist jedoch der Meinung, "K+S muss die Probleme vor Ort lösen". Er ist gegen die Pipeline, überhaupt gegen jede Kali-Einleitung, egal ob in die Nordsee oder in die Weser. "Ich wohne an der Weser und weiß wie es hier aussah, als die DDR ihre Kalilaugen in den Fluss kippte. Die Katastrophe will ich nicht nochmal erleben."

Dass es ihm ernst ist, bezweifelt Christian Meyer, Naturschutzexperte der Grünen im Niedersächsischen Landtag: "Wenn Sander die Nordsee-Variante nicht schnellstens prüft, bleibt K + S tatsächlich bei der lokalen Lösung und das heißt, wie bisher, werden 200 LKW-Ladungen pro Tag in Werra und Weser gekippt."

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