: Gesundheitsprüfung für Großprojekte
■ UmweltmedizinerInnen fordern Mitsprache bei Bauplanung
Wenn eine neue Müllverbrennungsanlage gebaut wird, muß bereits während der Planung eine „Umweltverträglichkeitsprüfung“ (UVP) gemacht werden. Zu klären ist: Wie sehr belastet das Projekt die Umwelt. Die Frage nach der Belastung der menschlichen Gesundheit durch ein solches Großvorhaben wird selten gestellt und noch seltener beantwortet. Denn für die Gesundheit, so die landläufige Meinung, sind die gesetzlich festgelegten Grenzwerte da.
Der Haken dabei: Insgesamt gibt es nur wenige wirklich feste Grenzwerte und diese Werte legen nur eine Obergrenze für die tolerierbare Schädigung fest. Auch eingehaltene Grenzwerte sind also keineswegs Persilscheine für den Neubau von Großanlagen. Daher fordern UmweltmedizinerInnen die Einführung einer „Gesundheitsverträglichkeitsprüfung“ (GVP), die zusammen mit der UVP eine Einschätzung der Risiken bei technologischen Großprojekten bringen soll. VetreterInnen der Gesundheitsbehörden aus Bremen, Niedersachsen und Hamburg trafen sich gestern zu einem Hearing über dieses Thema im Konsul-Hackfeld-Haus.
„Wir müssen bei der Planung stärker den Menschen als Schutzgut berücksichtigen und den Standard der Gesundheitsfürsorge anlegen“, meinte Alice Nennecke von der Hamburger Gesundheitsbehörde. Also nicht nur auf Grenzwerte schielen, sondern bereits bei der Planung berücksichtigen, welche Auswirkungen auf die Gesundheit (Lärm, Schadstoffe etc.) ein Projekt haben kann. In Hamburg wird die Umweltmedizinerin Nennecke bei den UVP regelmäßig zu Rate gezogen. In Bremen, meinte Helmut Gottwald von der Gesundheitsbehörde, gebe es eine Kooperation mit der UVP-Stelle beim Umweltsenator und dem Amt für Straßen- und Brückenbau. „Wir wollen die gesundheitlichen Belange wissenschaftlich fundiert darstellen und die Gutachter für diese Themen sensibilisieren. Wenn es geht, wollen wir schon bei den Planungen technische Verbesserungen durchsetzen“, meinte Gottwald.
Daß die Einführung einer Gesundheitsprüfung in der UVP wünschenswert ist, hat die bundesweite Konferenz der Gesundheitsminister bereits 1992 entschieden. Doch in den wenigsten deutschen Bundesländern werden die Gesundheitsbehörden bisher regelmäßig an den Planungen beteiligt, weil sie oft als unerwünschte potentielle Hindernisse für schnelles Planen und Bauen gesehen werden. Dabei liegt die Entscheidung über die Baudurchführung weiterhin bei der zuständigen Behörde, betonten die TagungsteilnehmerInnen. Doch der öffentliche Druck, der bei einer offenen Diskussion von möglichen Gesundheitsbelastungen durch Bauvorhaben entstehen kann, wird eben in den meisten Amtsstuben nicht geliebt.
bpo
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