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Gestörtes Vertrauensverhältnis

■ Strahlen-Skandal: Senator Hajen will UKE-Direktor Leichtweiß loswerden / Gestern Untersuchungskommission eingesetzt Von Patricia Faller

„Ich bedaure“, beteuerte gestern Wissenschaftssenator Leonhard Hajen (SPD), „daß vom UKE nicht alles dazu getan wurde, um die Sache aufzuklären“ – und machte sich selbst ans Werk: Eine Untersuchungskommission unter Leitung seines Staatsrates Hermann Lange soll die Vorwürfe um den vierjährigen illegalen Einsatz eines Therapiesimulators in der gynäkologischen Radiologie der Eppendorfer Uni-Klinik aufklären.

Vor allem soll diese Kommission prüfen, ob der ärztliche Direktor des UKE, Prof. Heinz-Peter Leichtweiß, seinen Aufgaben noch gewachsen ist. Wenn nicht, will Hajen nicht ausschließen, daß Leichtweiß von seinem Amt entbunden werde. Auch gegen den Leiter der gynäkologischen Radiologie, Prof. Hans-Joachim Frischbier, und den früheren Leiter der Frauenklinik, Prof. Maaß, leitete Hajen gestern disziplinarische Vorermittlungen ein. „Das Vertrauensverhältnis zum ärztlichen Direktor ist gestört“, begründete Behörden-Sprecher Tom Janssen die Untersuchung. Die Informationen, die das UKE nach zweiwöchiger Aufklärungszeit lieferte, hätten „mehr Fragen aufgeworfen als gelöst“.

Noch am Freitag abend hatte Leichtweiß verkündet, er habe sich „persönlich nichts vorzuwerfen“. Er könne nicht bei jedem Gerät wissen, ob eine Umgangsgenehmigung vorliege. Die Wissenschaftsbehörde behauptet jedoch, das Ergebnis einer externen Kontrolle durch die Ärztekammer sei „über das Büro des ärztlichen Direktors gelaufen“. Bereits 1992 nämlich hatte die „ärztliche Stelle Röntgen“ der Ärztekammer – ebenso wie ein Jahr zuvor das Amt für Arbeitsschutz – darauf hingewiesen, daß das Gerät nach den Bestimmungen der Röntgenverordnung umgehend stillgelegt werden muß. Das Ergebnis sei an das UKE und an die Wissenschaftsbehörde verschickt worden. Beide Stellen hätten aber, so Ärztekammer-Sprecher Dieter Schmidt, nicht reagiert.

Leichtweiß blieb auch gestern dabei, er habe von der Stillegung erst Ende 1995 erfahren. „Daß Hajen eine Kommission zur Überprüfung einsetzt, war politisch zu erwarten“, erklärte UKE-Sprecher Norbert Jankowski. „Wir hoffen, daß er dann aber das gesamte Direktorium überprüft.“

Die Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Strahlentherapie, die in der vergangenen Woche die Therapiepläne der Radiologie der Frauenklinik auf mögliche Verfehlungen durchforstet hatte, geht davon aus, daß Patientinnen und Personal nicht gefährdet waren. Die Dosimeter hätten keine gefährlichen Strahlungen angezeigt. „Man muß sich aber fragen, ob mit einem veralteten Gerät überhaupt eine vernünftige Therapieplanung möglich war“, erklärte der Präsident der Gesellschaft für Strahlentherapie, Michael Bamberg, gegenüber der taz. Für 250.000 Mark hätte man das Gerät so reparieren können, daß es für den Betrieb in einer Übergangsphase wieder hätte zugelassen werden können.

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