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Archiv-Artikel

Gesetz der Serie etc. Wiederholung und Differenz

Was eigentlich ist eine Serie? Eine Serie bezeichnet die fast identische Wiederholung eines Darstellungs-, Handlungs-, Denk- oder Sprachmusters. Jede TV-Serie basiert folglich auf der Repetition des Personals, der Schauplätze, des Genres. Und doch ändert sich bei jeder Folge eine Kleinigkeit: Eine Figur kommt hinzu oder stirbt, und obwohl sie dasselbe narrative Muster durchläuft, kann die Geschichte jetzt einen unerwarteten Verlauf nehmen. Just darin liegt der Reiz für das Publikum. Die Serie ist damit das Gegenkonzept zum Zufall und zeugt vom Streben nach Kontrolle. Auch in den Naturwissenschaften hat sie Konjunktur. Wir alle kennen etwa die Bilderserien aus den Biologiebüchern, welche die geregelte Entwicklung von Embryonen darstellen sollen – eine Erfindung um 1800. Und stets geht es um die geordnete Darstellung einer vielleicht nicht ganz so ordentlichen Welt.

Nun hat sich auch das Berliner Zentrum für Literaturwissenschaft (ZFL) mit dem – der gleichlautende Titel kündigt es an – „Gesetz der Serie in Biologie, Literatur und Kunst“ beschäftigt. Die für das ZFL charakteristische Erweiterung der Literaturwissenschaft um naturwissenschaftliche Diskurse bestimmte so auch diese Tagung.

Im Programm fanden sich Vorträge zur Begriffsgeschichte des Klons seit den 1920er-Jahren und also zur schrecklich-faszinierenden Figur, bei der das Serienmuster in das Subjekt selbst rutscht und der einzelne Mensch seriell produziert wird. In Adalbert Stifters Erzählung „Die Nachkommenschaft“ (1864) wurden dessen unvermutet witzige Peterbubenreihen enthüllt, in den Erzählungen Kafkas die Tierreihen, und Dorothea Löbbermann verwies auf die Figur des Serienmörders in dem berühmten Roman „American Psycho“ (1991) von Breat Easton Ellis, der die LeserInnen durch die endlose Aneinanderreihung von Markennamen der brutalen Monotonie des Warenfetischismus aussetzt.

So spannend die einzelnen Vorträge, etwa von Christina Brandt, Elisabeth Strowick oder Cord Riechelmann waren, die Tagung spiegelte ein grundsätzliches Problem wider: Überforderung. So richtig der vor rund 15 Jahren maßgeblich von den Literaturwissenschaften ausgehende Impuls war, die Grenzen des eigenen Faches in Frage zu stellen und infolgedessen später auch naturwissenschaftliche Perspektiven in die geisteswissenschaftliche Forschung einzubeziehen – es bleibt die Frage: Was lässt sich inhaltlich gewinnen oder substanziell kritisieren, wenn man aufgrund der eigenen Ausbildung schlicht nicht beurteilen kann, ob die These der KollegIn aus der Biologie oder der Kunstgeschichte denn nun Hand und Fuß hat?

Die selten avanciert ausfallenden Diskussionen im Anschluss an die Vorträge scheinen diese Überforderung zu illustrieren. Doch auch wenn sich schlussendlich nur wenig wirklich dazu lernen ließ: Es macht einfach Spaß, sich in neue Wissensfelder zu verirren. INES KAPPERT