Gesellschaftskritik : Costa Italia
Was sagt uns das? Die leckgeschlagene „Costa Concordia“ wird zur Metapher für den Niedergang einer ganzen Nation
Ich habe diesen Riesenwal da liegen sehen. In der Nacht habe ich dann geträumt, dass die ganze Halbinsel sich auf die Seite dreht wie die ‚Costa Concordia‘. Dass Italien leckgeschlagen ist wie dieses Schiff.“
Die italienische Tageszeitung La Repubblica lässt so einen Inselbewohner von Giglio seine Vision erzählen. Der Präsident der Region Toskana wird am Unglücksort mit den Worten zitiert: „Wenn man sich vorstellt, dass das italienische Wort für Regierung – ‚governo‘ – aus dem Griechischen kommt: Da heißt es ‚ein Schiff steuern‘.“
Die „Costa Concordia“ ist zur Metapher geworden für ein Land, in dem Infrastruktur und staatliche Aufsicht seit Jahrzehnten im Niedergang begriffen sind, weil eine Clique die Macht an sich gerissen hat – unter Billigung der Mehrheit der Bevölkerung. Es reicht nicht mehr, dem Bösewicht die Schuld zu geben. Ob nun Kapitän oder Reederei. Auch der Held in Gestalt der ihr Leben riskierenden Retter, der Übermensch, der immer dann bemüht wird, wenn zuvor grundlegend etwas schiefgelaufen ist – wie bei den verheerenden Überschwemmungen im Herbst –, lenkt niemanden mehr davon ab, dass etwas faul ist im Staat.
„Und jetzt Strenge“ titelt der Corriere della sera seinen Leitartikel: Der Autor Pierlugi Battista kann sich gar nicht beruhigen: „Absurd“ sei das alles, sich mit einem Giganten der Meere einer von scharfkantigen Felsen umstellten Insel zu nähern, um einen Gruß abzugeben, einen Gruß! Wie so was „Wahnsinniges“ möglich sei? Am Ende schreibt er: „Nie wieder.“ Das wird sonst nur bemüht, um vor der Wiederkehr des Faschismus zu warnen. Vielleicht holt Italien ja jetzt nach, was es seit Berlusconis Abgang vermieden hat: Vergangenheitsbewältigung. AW