■ Gesellschaftliche Ereignisse im Winter: Wie man Spiele-Abende übersteht
Der erwachsene Mensch an sich spielt ja gerne. Mit dem Feuer beispielsweise. Oder auch mit anderen erwachsenen Menschen. Vorzugsweise lädt er zu diesem Zweck drei oder vier dieser Menschen zu einem „lustigen Spiele-Abend“ ein.
Spiele, die vor Fragekärtchen nur so überquellen, werden immer beliebter und heißen „Outburst“, „Tabu“ oder „Partytime“ und standen auch bei unserem letzten „lustigen Spiele-Abend“ auf dem Spieltisch. „Partytime“ mag ich ganz besonders, weil man da zum Beispiel eine „Parkuhr“ kneten muß und Wolfgang Bruchniwitz voll die Niete im Kneten ist. Oder man muß pantomimisch eine „Schweigeminute“ vorspielen, und Wolfgang Bruchniwitz könnte nicht mal einen „Eimer“ darstellen, ohne sich saumäßig zu blamieren. Wolfgang Bruchniwitz hat mir mal die Freundin ausgespannt.
Aber diesmal kamen wir erst gar nicht zu „Partytime“, denn unsere Gastgeberin war diesmal Kathrin M., und Kathrin M. sagte, sie hätte da „was Neues“. Alle kreischten: „Oh ja, was Neues, was Neues!“ und dann packten Kathrin M. und ihr neuer Freund (Thomas oder Torsten oder so) plötzlich „Nobody is perfect“ und „Therapy“ aus, und alle kreischten „Wie geht denn das, wie geht denn das?!“ „Nobody is perfect“ ging dann so, daß einer ein Fragekärtchen zog, auf dem stand: „Der große Caruso war der erste Mann der Welt, der ...?“ Und dann sollten alle verdeckt aufschreiben, was sie dachten, was der olle Caruso wohl so Tolles gemacht haben könnte. Am Ende konnte man dann auf die verschiedenen Antworten setzen, um Punkte zu kriegen. Ich schwankte zwischen „Er sang das hohe C“ und „Er bestieg das Matterhorn bei Nacht“. Auf meinem eigenen Zettel hatte ich „Er konnte vor Publikum seinen gesamten Oberleib verschwinden lassen“ geschrieben. Darauf setzte aber niemand. Nicht mal der doofe Bruchniwitz. Die richtige Antwort hieß: „Er bekam eine echt goldene Schallplatte verliehen (1906).“ Na toll! Das hätten Sie auch nicht gewußt! Ich sagte dann auch nach drei Runden – ich stand immer noch auf „Start“ –, daß ich „Nobody is perfect“ Scheiße fände.
Thomas oder Torsten oder so holte dann auch gleich „Therapy“ raus und sagte, das sei „ein total psychologisches Spiel mit richtig pädagogischen Ansätzen“ und daß man sich und andere dadurch „total anders“ kennenlernen könne. „Therapy“ fing dann tatsächlich auch ganz lustig an: Man fährt mit kleinen Psychiatersofas auf dem Spielbrett herum und zieht Fragekärtchen, auf denen beispielsweise „Welcher Spieler hier hat wohl den meisten Spaß daran, Gerüchte zu verbreiten?“ steht. Die Frage durfte ich dem Bruchniwitz stellen. Der mußte dann verdeckt eine passende Person (er wählte die Gastgeberin Kathrin M.) aufschreiben. Ich mußte aufschreiben, was ich dachte, wen er aufgeschrieben hat (ich schrieb auch Kathrin M.). Dann wurden die beiden Zettel gleichzeitig aufgedeckt, und Kathrin M. war sturzbeleidigt und schloß sich heulend auf dem Klo ein.
Normalerweise bekommen die Spieler bei Übereinstimmung zur Belohnung den einen oder anderen „farbigen Wissensstift“ in ihr Sofa gesteckt. Aber wir bekamen nur einen Anschiß von Thomas oder Torsten, weil wir seiner Kathrin zuvor nur zwei Punkte „auf einer Skala von 1 bis 10“ für ihre „Ausstrahlung“ gegeben hatten. Und daß bei der anschließenden Frage „Wer hier am Tisch findet sich selbst wohl am unattraktivsten?“ Thomas oder Torsten auf dem Zettel stand, fand er wohl auch nicht so gut. Nicht jeder kann das spielbegeisterte Kind in seinem Herzen bewahren. Schade drum. Frank M. Ziegler
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