: Geschlechterdifferenz
■ Wie könnten Frauenrechte in der Verfassung aussehen? INTERVIEW
taz: Was hältst du von dem nach Geschlechtern getrennten 2-Kammern-System, das Brigitte Laubach auf dem Kongreß „Frauen für eine neue Verfassung“ vorgeschlagen hat?
Andra Maihofer: Ich weiß nicht, ob das realistisch gemeint war. Aber es ist ganz wichtig, daß wir uns den dort vorgeschlagenen Raum nehmen, um wichtige Entscheidungen auszudiskutieren.
Welche?
Zum Beispiel Paragraph 218. Das ist etwas, wo Frauen wirklich einen Raum bräuchten, um erst einmal ihre Differenzen untereinander herauszufinden.
Das erinnert mich an die Debatte um Frauengruppen und Frauenbuchläden vor 20 Jahren.
Mag ja sein, daß das ein Déjà-vu- Erlebnis ist. Aber die Dimension ist doch ganz anders. Es geht nicht mehr um das Selbstbewußtsein. Das haben wir inzwischen. Männer sitzen überall in der Welt. Es geht darum, daß sich Frauen jetzt ganz allgemein in der Gesellschaft neben die Männer setzen und nicht immer nur in Nischen. Durch das Nebeneinander wird die Differenz erst deutlich. In der Frauen-Kammer ginge es für Frauen darum, überhaupt erst eine eigene logische Ordnung zu finden.
Was meinst du konkret mit Differenz?
Andere Wertvorstellungen als Männer! Aber es kann nicht darum gehen, das inhaltlich festzuschreiben. Wir sollten nur unser Unbehagen ernst nehmen, ernst nehmen, daß wir in dieser Gesellschaft eine Fremdheit, eine Einschränkung fühlen. Wir haben andere Einsichten und andere Fähigkeiten und andere Kompetenzen, andere Politik- und Moralvorstellungen als Männer. In dem Moment, wo wir das ausbuchstabieren, dürfen wir es nicht gleich wieder festschreiben. Es geht auch darum, die Differenz — zum Beispiel durch Kultur und Lebensalter — unter Frauen herauszufinden.
Strittig war der Begriff „Gewissen“ im Zusammenhang mit dem § 218.
Ich will diese alten Begriffe nicht mehr! Die juristische Logik ist da an sich ein Problem. Wir sind einfach zu schnell in die Logik des Rechts hineingeraten. „Gewissen“ ist so besetzt, genauso wie „Familie“. Das können wir vielleicht in 300 Jahren wieder verwenden. Aber dann fällt es uns — hoffentlich — nicht mehr ein. Interview: Heide Platen.
Siehe auch Artikel auf Seite 7
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