■ Geschenke vor dem Wahltag: Der Staat als Beute
Berlin hat keine Mark zu verschenken, sondern nur tiefe Finanzlöcher zu verwalten, bleuen uns der Regierende Bürgermeister und sein Adlatus von der Finanzverwaltung regelmäßig ein. Wer bis hinter den Wahltag am 22. Oktober denkt, weiß, daß dann das Streichkonzert in vielen Bereichen erst richtig anheben wird und schnellstens ein Nachtragshaushalt her muß, um die bislang mit Illusionen zugekleisterten Fehlbeträge im Landeshaushalt auszugleichen.
Freilich scheinen die senatstragenden SPD und CDU aus der Misere den Schluß zu ziehen, es komme auf ein paar Mark mehr auch nicht mehr an. Da werden ein paar Parteifreunde noch schnell mit lukrativen Posten bedacht – und damit einer neuen Stadtregierung bei sensiblen Führungspositionen jede Umsteuerungsmöglichkeit genommen. Spitzenbeamte werden mit einem Sahnehäubchen aufs Gehalt belohnt. Nahezu unbemerkt, weil lange unter Ausschluß der Öffentlichkeit betrieben, haben die Parlamentäre vor zwei Monaten eine abenteuerliche Rentenregelung verabschiedet. Damit die jetzt ausscheidenden Ost-Abgeordneten die für eine Rente von monatlich 1.800 Mark notwendige Anwartszeit von sieben Jahren zusammenbekommen, wurde einfach die Zeit gestreckt. Aus sieben Monaten Ost-Berliner Stadtparlament wurden von CDU und SPD zwei Jahre gemacht, damit es zusammen mit der jetzigen Wahlperiode für die Rente reicht. Über eine politische Moral wird da nur gelacht. Man macht sich den Staat ungeniert zur Beute.
Doch damit nicht genug. Kommt es in Berlin zu einem Regierungswechsel, dann werden reihenweise die Staatssekretäre als politische Spitzenbeamte in den Ruhestand versetzt – und beziehen fünf Jahre lang ein kaum geschmälertes Gehalt. Auch das wird Berlin viele Millionen kosten. Abhalten sollte letzteres keinen Berliner, sich eine neue Regierung zu wählen. Aber erwarten könnte man von dieser vielleicht etwas: beispielsweise die Verpflichtung, im letzten halben Jahr vor der Wahl keine politischen Beförderungen mehr vorzunehmen. Gerd Nowakowski
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