Geschäft Bizim Bakkal schließt: Ein Kreuzberger Symbol verschwindet
Der Ladeninhaber Ahmet Çalışkan gibt aus gesundheitlichen Gründen auf. Aber der Kampf um den Schutz des Kleingewerbes in SO 36 geht weiter.
Bizim Bakkal schließt. Seit Montag hängt ein Aushang im Fenster. Auf einem großen Zettel teilt Ahmet Çalışkan mit, dass er sein Geschäft zum 31. März aufgeben wird. Aus gesundheitlichen Gründen. Er bedauert das – und bedankt sich bei seiner Kundschaft.
Ahmet selbst ist gerade nicht da. Aber ein Kunde, der gerade eine Avocado aussucht, sagt: „Mit Bizim Bakkal geht hier nicht nur ein Laden verloren.“ Er sei zum Zentrum geworden, das den Leuten Vertrauen gebe. „Seit letzten Sommer kann man sich wieder vorstellen, dass es möglich ist, als Nachbarschaft gegen den Aufwertungsdruck zu bestehen.“ Vorher hätte das in diesem Viertel niemand ernsthaft geglaubt.
Sommer der Nachbarschaft
Noch im Juni 2015 hatte es eine spontane und immer größer werdende Unterstützerbewegung geschafft, den Vermieter des Ladens „Wrangelstraße 77 GmbH“ dazu zu bewegen, eine bereits ausgesprochene Kündigung zurückzunehmen. In diesen Tagen kam es zu dem, was die Leute jetzt noch den „Sommer der Nachbarschaft“ nennen. Mit wöchentlichen Happenings vor dem Laden, bei denen es Picknick gab, Musik und ein Open Mike. Und bald ging es noch um viel mehr als um die Zukunft des Ladens Bizim Bakkal.
Ausgerechnet dieses Symbol des „Wir schaffen das“ soll jetzt doch verschwinden. Wegen gesundheitlicher Probleme des Händlers, der seit einigen Monaten bereits angeschlagen ist.
Die Initiative „Bizim Kiez“, die sich im Sommer gründete, bewertet die Geschichte der Auseinandersetzung dennoch nicht ausschließlich als Niederlage. „Wir sind traurig“, sagt Thomas Symanek von „Bizim Kiez“. Aber positiv sei, dass man erreicht habe, dass die Çalışkans, statt einfach rauszufliegen, in Würde und selbstbestimmt schließen könnten. Außerdem „sind wir der Familie Çalışkan dankbar“. Denn sie habe erst möglich gemacht, dass „wir als Nachbarschaft zusammengefunden haben und so viel Druck aufbauen konnten.“ Nicht nur für Bizim Bakkal, sondern auch für andere Dinge.
Schutz fürs Kleingewerbe
Die Initiative verlangt jetzt mehr Schutz für das Kleingewerbe – nicht nur im Wrangelkiez, sondern auch darüber hinaus. „Wir fordern von der Politik wirksame Regelungen, die verhindern, dass Geschäfte zur bedarfsgerechten Nahversorgung verdrängt werden, weil Immobilienbesitzer ihre Profitinteressen durchsetzen“, so Gabriela Stangenberg, eine andere Sprecherin von „Bizim Kiez“. Sie verlangt, das Instrument des Milieuschutzes so weiterzuentwickeln, dass es auch für das Kleingewerbe angewandt werden kann.
Zudem fordert sie, dass die Ladenräume des heutigen Bizim Bakkal wieder „einem bedarfsgerechten Betrieb zu einer bezahlbaren Miete“ zur Verfügung gestellt werden. „An diesem symbolischen Ort“, so die Initiative, sei „kein Platz für das Profitstreben eines Investors“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann