: Gerüchte um neue Friedensinitiative
■ Moskau setzt im Golfkonflikt auf Zeitgewinn für Diplomatie/ UNO vertagt neue Irak-Resolution/ Französische Geiseln werden erst heute in Paris erwartet/ Teheran und Riad auf Annäherungskurs
Madrid/New York/Bagdad (ap/ afp/dpa) — Der sowjetische Präsident Michail Gorbatschow hat während seines Besuchs in Madrid von Anzeichen dafür gesprochen, daß der Irak in der Kuwait-Frage zum Nachgeben bereit sein könnte. Einen Militäreinsatz zur Beendigung der Golfkrise schloß der sowjetische Präsident aus. Gorbatschows Sonderbotschafter und Berater Jewgeni Promakow traf am Sonntag in Bagdad mit dem irakischen Staatschef Saddam Hussein zusammen.
Diplomaten aus westlichen Ländern sagten am Wochenende in Bagdad, der auf zwei Tage angesetzte Besuch Primakows stelle vermutlich den letzten Versuch dar, mit diplomatischen Mitteln einen Krieg am Golf zu verhindern. Bereits nach der Sitzung des UNO-Sicherheitsrates am Samstag in New York, bei der auf Betreiben der Sowjetunion die Abstimmung über eine neue Resolution zur Golfkrise auf heute verschoben wurde, meinte der sowjetische Deligierte Woronzow bezüglich der Primakow-Mission: „Wir alle erwarten, daß er in Bagdad sehr fruchtbare und wichtige Diskussionen mit Präsident Saddam Hussein und Außenminister Aziz haben wird.“ Auch der irakische UNO-Botschafter al-Anbari meinte, daß bis Montag „ermutigende Nachrichten aus Bagdad“ kommen werden. Ebenso äußerte sich US-Präsident Bush optimistisch. Auf Hawaii sagte er, angesichts der Wirtschaftssanktionen und der „kraftvollen Streitmacht“ beginne Saddam, „seine Situation anders einzuschätzen“.
Wenig optimistisch äußerte sich dagegen der britische Präsident des Sicherheitsrates, Sir Hannay, der kein Anzeichen eines irakischen Einlenkens zu sehen vermochte. Auch US-Außenminister Baker sieht nach einer Mittteilung von Präsidialsprecher Fitzwater kein Anzeichen für ein mögliches Nachgeben Bagdads. Bei seinem für Anfang November geplanten Besuch in Saudi-Arabien will der Außenminister daher, so Fitzwater, auch „militärische Optionen“ gegen den Irak erörtern.
Mit der verschobenen Resolution — der zehnten seit der Eroberung des Emirats Kuwait durch Irak — soll der Druck auf Bagdad verstärkt werden, um den Rückzug der irakischen Streitkräfte aus Kuwait zu erzwingen. Unter anderem soll Bagdad förmlich für alle Schäden haftbar gemacht werden, die andere Länder als Folge der Invasion in Kuwait erlitten haben. Außerdem ist ein Aufruf geplant, der UNO Mißhandlungen von Kuwaitern durch irakische Soldaten zu melden. Ferner ist in dem Resolutionsentwurf eine Aufforderung an Bagdad enthalten, die Blockade der ausländischen Botschaften in Kuwait sofort aufzuheben.
Die EG-Staaten haben am Sonntag allen Bemühungen, durch nationale Alleingänge die Freilassung der im Irak festgehaltenen Geiseln zu erreichen, eine klare Absage erteilt. In einer Erklärung des Sondergipfels von Rom unterstrichen „Die Zwölf“ ihre Entschlossenheit, daß keine Regierung, „in welcher Eigenschaft auch immer“, zu Verhandlungen mit dem Irak über die Geiseln bereit sei. Die Bemühungen um Freilassung der festgehaltenen Ausländer solle der UN-Sicherheitsrat fortsetzen. Dem UN-Generalsekretär legten die EG-Staats- und Regierungschefs nahe, einen Sonderbeauftragten in den Irak zu entsenden. In der EG-Erklärung wird „die irakische Regierung voll verantwortlich für die Sicherheit der ausländischen Staatsangehörigen“ gemacht, deren unverzügliche Freilassung sowie der bedingungslose Rückzug der irakischen Truppen aus Kuwait werden gefordert.
Unterdessen hat sich die Ausreise der 330 französischen Geiseln aus dem Irak weiter verzögert. Das Pariser Außenministerium teilte am Samstag abend mit, die Geiseln würden nicht vor heute abend in Paris eintreffen, da der Irak darauf bestehe, daß ihr Abflug am Tage erfolge. Der französische Fernsehsender TF1 berichtete, Bagdad habe die Freilassung der Franzosen angeordnet, nachdem sich der frühere französische Außenminister Claude Cheysson nach Vermittlung des PLO-Chefs Arafat mit dem irakischen Außenminister Aziz getroffen habe. Die ursprünglich für Freitag angekündigte Ausreise der Geiseln war mehrfach durch bürokratische Schwierigkeiten verzögert worden.
Der saudische Vize-Außenminister Mansuri und der iranische Außenminister Welajati haben am Samstag in Teheran die Lage am Golf erörtert. Wie die iranische Nachrichtenagentur 'IRNA‘ weiter meldete, standen neben der Golfkrise auch die seit Jahren angespannten Beziehungen zwischen den beiden Staaten auf der Tagesordnung. Saudi-Arabien und Iran suchen vor dem Hintergrund gemeinsamer Interessen im Golfkonflikt eine Annäherung. Die Beziehungen waren 1987 nach Zusammenstößen zwischen iranischen Pilgern und saudischen Sicherheitskräften in Mekka, bei denen mehrere hundert Iraner ums Leben kamen, immer schlechter geworden und führten schließlich 1988 zum Abbruch der diplomatischen Kontakte zwischen den beiden Golf- Anrainern.
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