Gerüchte über "Berliner Zeitung"-Verkauf: Retter verzweifelt gesucht
Soll die "Berliner Zeitung" verkauft werden? Ex-"Spiegel"-Chef Aust dementiert Kaufabsichten energisch.
Stefan Aust wird Papst, aber erst demnächst. Das sagte er Karl Dietrich Seikel, und Seikel sagte es der taz. "Heute bin ich Chefredakteur der Berliner Zeitung, morgen der Bild-Zeitung, dann Senator in Hamburg, dann Medienkoordinator", ließ Aust ausrichten, "und schließlich Papst. Dann werdet Ihr alle exkommuniziert." Das ist Austs Kommentar zur Meldung der Vorwoche, er, der Ex-Spiegel-Chefredakteur, sei gemeinsam mit Ex-Stern-Chefredakteur Michael Jürgs als Doppelspitze bei der Berliner Zeitung vorgesehen gewesen. Was er damit öffentlich machen will, ist: Es sei nichts dran. "Er hat das strikt dementiert", sagte Seikel, der Aust-Vertraute und ehemalige Spiegel-Geschäftsführer. Ein früherer Kollege von Aust fügte, darauf angesprochen, allerdings noch hinzu: "Aust dementiert aus Prinzip immer alles."
Die Süddeutsche Zeitung hatte gemeldet, Aust und Jürgs als Chefredakteure hätten mit einem britischen Finanzinvestor und einem Hamburger Medienmanager die Berliner Zeitung übernehmen wollen. Die Sache sei mittlerweile vom Tisch, auch wenn sie ernst gemeint gewesen sei, hieß es. Die Berliner Zeitung, so war herauszulesen, würde vom Mecom-Konzern, dem sie gehört, wenn überhaupt, dann nur im Paket mit den anderen deutschen Beteiligungen verkauft (zu denen unter anderem Berliner Kurier, Netzeitung, Hamburger Morgenpost sowie Druckereien gehören).
Wie ernst die Angelegenheit tatsächlich war, wissen nur die Beteiligten. Der Branchendienst Kress jedenfalls betonte, die Meldung habe "für Erheiterung" gesorgt. Ihr Hintergrund jedoch ist unbestreitbar ernst: Die Vorgänge bei der Berliner Zeitung sorgen in der Branche für immer weiter gehende Kritik. Seit die britische Mecom mit ihrem Vorstandschef David Montgomery 2005 den Berliner Verlag übernommen und später Josef Depenbrock als Chefredakteur und Geschäftsführer installiert hat, steht die Redaktion der auflagenstärksten Berliner Regionalzeitung unter einem Spardruck, der immer mehr Beobachter aus den Schuhen hebt. Zuletzt wurde etwa bekannt, dass Depenbrock aus Kostengründen die USA-Korrespondentin abberuft. Selbst Blätter des Holtzbrinck-Verlags, der die Zeitung an Montgomery verkauft hatte, kritisieren Montgomery mittlerweile; der frühere Holtzbrinck-Manager Michael Grabner sagte dem Spiegel: "Ich würde ihm aktuell keinen Gebrauchtwagen mehr abkaufen."
Das hätten allerdings viele, die kein Geld mit dem Verkauf verdienten, schon vorher nicht getan.
In der taz hatte sich die Redaktion der Berliner Zeitung selbst per Anzeige zu Wort gemeldet und ihrem Wunsch, einen besseren Verleger zu bekommen, Ausdruck verliehen. "Die Berliner Zeitung zu retten wäre eine Heldentat", sagt ein Brancheninsider, einst in Berlin tätig: "Und irgendwann muss die Mecom etwas verkaufen. Sie steht dramatisch unter Druck." Der Börsenkurs fällt, die Zinsen für die Bankschulden drücken.
Zwar meldete zuletzt eine norwegische Zeitung, die Mecom wolle ihre norwegische Beteiligung abstoßen. In Deutschland rumort es dennoch weiter: Es wird gestreut, es gebe auch für den Berliner Verlag ernsthaft interessierte Investoren.
KLAUS RAAB
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!