Gericht machte kurzen Prozeß

■ Das Übermalen von Hakenkreuzen ist Sachbeschädigung: Norderstedter Antifaschist zu 600 Mark Geldstrafe verurteilt Von Clemens Gerlach

Strafrichter Reinhard Leendertz machte kurzen Prozeß. Gerade einmal eine halbe Stunde dauerte gestern vormittag die Verhandlung vor dem Amtsgericht Norderstedt, dann stand für den 49jährigen die Entscheidung fest. Wegen Sachbeschädigung verurteilte Leendertz den – nach eigenem Bekunden – „Antifaschisten“ Gunnar Vogt zu einer Geldstrafe von 600 Mark (20 Tagessätze a 30 Mark). Die Staatsanwaltschaft hatte die Strafe für den Nicht-Vorbestraften zur Bewährung aussetzen wollen. Das war mit Leendertz nicht zu machen: „Der Angeklagte hat eindeutig zu erkennen gegeben, daß er die Tat jederzeit wiederholen würde.“

Im Juni des vergangenen Jahres hatte der Student aus Norderstedt in einem Bahnwaggon der Linie U1 auf der Strecke Garstedt-Ochsenzoll mehrere Hakenkreuze übermalt. Zeugen hatten den 22jährigen dabei beobachtet. Wenig später zeigte die Hamburger Hochbahn AG (HHA) den jungen Mann aus dem Umfeld des „Sozialen Zentrums Norderstedt“ wegen Sachbeschädigung an. Gegen den im April 1996 erfolgten Strafbefehl über 600 Mark legte Vogt Einspruch ein, weshalb es gestern überhaupt zu der mündlichen Verhandlung kam.

Vor dem Amtsgericht machte Vogt in einer „persönlichen Erklärung“ noch einmal deutlich, daß er nicht gewillt sei, rechtsradikales Gedankengut zu akzeptieren. Für DemokratInnen sollte es eigentlich „selbstverständlich“ sein, gegen den wieder aufkommenden Faschismus aktiv vorzugehen. Von der ihm vorgeworfenen Sachbeschädigung könne deshalb keine Rede sein und schon gar nicht von einer Straftat.

Leendertz sah das hingegen völlig anders. Gereizt von Vogts allgemeinen politischen Einlassungen zog sich der Einzelrichter auf formaljuristisches Terrain zurück. Es sei egal, ob Linke rechte Parolen übermalten oder umgekehrt: „Die Rechtsordnung leidet darunter, wenn dies einfach so hingenommen wird.“ Auch die Argumentation von Verteidiger Ernst Medecke überzeugte Leendertz nicht.

Der Rechtsanwalt hatte angeführt, daß die Sachbeschädigung schon vorher stattgefunden hätte: „Mein Mandant hat die Hakenkreuze nur übermalt.“ Statt einer Anklage hätte Vogt dafür das Bundesverdienstkreuz verdient: „Es war mutig in dieser Gegend, die rechten Schmierereien zu beseitigen.“ Es bestünde für jeden „ein Auftrag“, solche Parolen zu entfernen.

Nach Medeckes Plädoyer war Leendertz vollends verstimmt. Statt sich mit den Argumenten inhaltlich auseinanderzusetzen, vertraute der Strafrichter für die Entscheidung auf sein Basiswissen aus dem Jura-Grundstudium: „Der Tatnachweis ist erbracht.“ Da keine „günstige Prognose“ für den „Überzeugungstäter“ gestellt werden könne, sei eine Bewährungsstrafe ausgeschlossen.

Das letzte Wort ist damit jedoch noch nicht gesprochen. Noch gestern legte Rechtsanwalt Medecke Berufung ein.