: Gericht gegen Doppelpass
Karlsruhe gibt Türken, die nach dem Jahr 2000 die frisch erworbene deutsche Staatsangehörigkeit gleich wieder verloren hatten, keinen Vertrauensschutz
FREIBURG taz ■ Zehntausende Deutsch-Türken haben im Jahr 2000 zu Recht die deutsche Staatsbürgerschaft verloren. Das entschied gestern das Bundesverfassungsgericht.
Geklagt hatte ein türkischstämmiger Mann aus Frankfurt, der sich 1999 einbürgern ließ. Dafür musste er die türkische Staatsbürgerschaft aufgeben, weil Deutschland grundsätzlich versucht, doppelte Staatsbürgerschaften zu vermeiden. Doch kaum war der Mann Deutscher geworden, beantragte er wieder einen türkischen Pass. Als er ihn erhielt, verlor er automatisch wieder die deutsche Staatsangehörigkeit – wie 50.000 andere Deutsch-Türken auch.
Dieser strenge Automatismus war für Deutsche, die im Inland leben, erst von Rot-Grün zum 1. Januar 2000 eingeführt worden. Der Kläger machte geltend, dass er seinen Antrag auf den türkischen Pass schon im Juni 1999 gestellt hatte. Nur wegen Überlastung der türkischen Botschaft sei er erst nach Jahreswechsel Doppelstaatler geworden.
Bis Dezember 1999 konnte einem in Deutschland lebenden Eingebürgerten die deutsche Staatsangehörigkeit nicht mehr gegen seinen Willen entzogen werden, auch wenn er eine doppelte Staatsbürgerschaft erworben hatte. Der Ankläger meint, dass das neue Gesetz nicht auf hätte angewendet werden dürfen, weil es zum Zeitpunkt seiner Antragstellung noch nicht in Kraft gewesen sei. Tausende Migranten teilen dieses Schicksal.
Karlsruhe billigte ihm nun aber keinen Vertrauensschutz zu. Der Frankfurter hätte schließlich die Möglichkeit gehabt, seinen Antrag bei der türkischen Botschaft einfach wieder rückgängig zu machen, als er merkte, dass diese zu langsam arbeitet. Dann wäre er auch Deutscher geblieben. Nach Ansicht der Richter stand es dem Kläger zudem frei, seine deutsche Staatsbürgerschaft zu behalten. Er habe bei seinem Antrag auf Einbürgerung schließlich gewusst, dass ihm bei Erwerb eines deutschen Passes die Aufgabe der türkischen Staatsbürgerschaft abverlangt werde. Dadurch solle Mehrstaatigkeit vermieden werden. Wenn der Eingebürgerte dennoch eine Gesetzeslücke nutzte und die Doppelstaatsangehörigkeit wählte, konnte er demnach nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber die Absichten nicht durchkreuzt.
Inzwischen haben sich viele Betroffene erneut einbürgern lassen – und die türkische Staatsangehörigkeit dafür wieder aufgegeben. „In Berlin hat sich die große Mehrzahl der Betroffenen endgültig für Deutschland entschieden“, berichtet der Ausländerbeauftragte Günther Piening. „1.365 Betroffene haben sich gemeldet, rund 1.000 davon wurden erneut eingebürgert.“ Bundesweite Zahlen liegen nicht vor.
CHRISTIAN RATH