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Gericht bestätigt KündigungWegen sechs Maultaschen entlassen

Weil sie sechs Maultaschen im Wert von ein paar Euro mitnahm hat eine Altenpflegerin ihren Arbeitsplatz verloren. Die Essensreste wären nach Angaben der Frau im Müll gelandet.

Maultaschen wie diese zerstörten das Vertrauen der Konstanzer Spitalstiftung. Bild: dpa

BERLIN afp/ap/dpa | Die fristlose Kündigung einer 58-jährigen Altenpflegerin wegen sechs gestohlener Maultaschen ist rechstens. Das Arbeitsgericht in Radolfszell wies damit eine Klage der fristlos gekündigte Frau ab.

Die Frau hatte sich nach eigener Darstellung vier Maultaschen aufwärmen wollen, die nach dem Essen der Heimbewohner übrig geblieben waren. Sie wären sonst auf dem Müll gelandet. Ihr Arbeitgeber, die städtische Spitalstiftung Konstanz, sprach dagegen von sechs Maultaschen, die die Frau in ihrer Handtasche versteckt mitnemen wollte. Insgesamt waren die Maultaschen zwischen drei und vier Euro Wert.

Das Gericht folgte der Argumentation der Spitalstiftung, dass das Vertrauensverhältnis zerstört sei und eine Weiterbeschäftigung unmöglich. Zwar habe es sich um eine geringwertige Sache gehandelt. "Dennoch bestimmt allein der Arbeitgeber darüber, wie mit seinem Eigentum verfahren wird und zwar selbst dann, wenn er die Reste der Entsorgung zuführt." Außerdem sei es verboten gewesen, sich mit Essen der Hausbewohner zu bedienen.

Der Verteidiger der Altenpflegerin hatte den Standpunkt vertreten, angesichts der 17 Jahre langen Beschäftigung der Frau, wäre eine Abmahnung ausreichend gewesen.

Das Arbeitsgericht hatte zuvor versucht zu vermitteln: Die Pflegerin hatte aber die vorgeschlagene Abfindung von 25.000 Euro abgelehnt. Der Anwalt der Frau will nun prüfen, ob er weitere Rechtsmittel einlegt.

Kündigungen wegen Bagatelldelikten sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Zuletzt hatte sich ein der Chef eines Dortmunder Bauverbands entschuldigt, weil er seine Sekretärin wegen dem Verzehr von zwei Brötchenhälften und einer Frikadelle entlassen hatte. Demnächst verhandelt das Bundesarbeitsgericht den Fall einer Berliner Kassiererin, der wegen zwei Leergutbons im Wert von 1,30 Euro gekündigt worden war.

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14 Kommentare

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  • JS
    Jürgen Schwarz

    Schäm dich Arbeitgeber!!

    Nahrungsmittel auf den Müll zu werfen, wenn sie noch jemand essen könnte ist aus meiner Sicht unmoralisch, in der Sprache sogenannter Christen eine Sünde. Die Frau hat keinen Diebstahl begangen sondern ihrem Unternehmen Müllgebühren erspart!

    Ich habe eine Kneipe und wir geben übrig gebliebene Speisen - wenn aus hygienischen Gründen möglich - an den benachbarten Tafelladen oder essen sie selbst.

  • S
    Scharlie

    Banker veruntreuen Millionen, Staats"diener" vergeuden jährlich Steuergelder in Milliardenhöhe, ein Kanzler verschweigt seine Amigospender - alles nicht gerichtsrelevant. Bei Centbeträgen darf es natürlich keinen Ermessensspielraum geben. Wenn das jeder täte, wo kämen wir denn dahin. Recht pervers.

    Es lebe der Feudalismus!

  • G
    Gast

    Diese fristlose Kündigung ist wie vorangegangenen dieser Art abscheulich. Die Gerichte entlarven mit ihren Urteilen "im (vorgeblichen) Namen des Volkes" das deutsche Arbeitsrecht als ungeheuerliche Farce. Schämt Euch Politiker, die ihr solche Gesetze zulasst! Schämt euch Arbeitgeber, die ihr auf solch perfide Weise eine gesetzliche Ungerechtigkeit für eure Gier missbraucht! Ich wünsche Euch an den öffentlichen Pranger der Konsumenten, die sich mit Verachtung und Abscheu von euch abwenden.

  • DS
    Durch solche Nachrichten, bzw. Geschehnisse

    wird dem Extremismus in den Gesellschaften viel und gute Nahrung geboten.

    Und ich habe das Gefühl, dass ein Großteil der Menschen in diesem Land vieles in sich reinfrisst, das dann irgendwann ausbricht und sich nicht gegen die wirklich Verantwortlichen richtet... Lichtenhagen

  • G
    Gerda

    Mein vor über 30 Jahren verstorbener Großvater hätte diese Angelegenheit völlig anders gesehen:

     

    Nahrungsmittel waren für ihn geradzu Heiligtümer, deren mutwillige Vernichtung ein schwerer ethischer Frevel. Er hätte den Altenheimbetreiber wegen Nahrungsfrevel angezeigt oder zumindest lautstarkt beschimpft oder die Angelegenheit wohnortöffentlich gemacht.

     

    Bei Nahrungsresten hätte es der Großvater als Pflicht angesehen, sie für den nächsten Tag im Kühlschrank aufzubewahren oder sie, wenn das aus Hygienverschriften unerlaubt gewesen wäre, selber zu essen. Zu essen statt wegzuwerfen als Pflicht!

     

    Merkwürdig, wie sich die Ethik umgedreht hat. Nun ja, sogar das Schlaraffenland wird heutzutage als Wirtschaftskrise diffamiert, zumal Sparen das Dogma vom Wirtschaftswachstum untergräbt.

  • BG
    Bernd Goldammer

    Große Verbrecher dürfen mit deutschen Gerichten dealen. Verfahren werden gegen Zahlung lächerlicher Summen(am Strafwert gemessen) eingestellt. Und diese Frau? Das Urteil dürfte ihre soziales Aus sein. Unglaublich! Ein paar Maultaschen, die nach Tatausübung statt im Müll im Magen dieser Frau gelandet wären. Bürger werdet wach: Wenn die Verhältnismäßigkeit so oft und vor allem so offen aushebelt wird läuft der Rechtsstaat aus dem Ruder. Pfui!

  • BS
    Bob Steckenreiner

    danke für den link zur personalabteilung!

    habe erstmal ne bewerbung für "pr unn so" abgeschickt an die netten leutenz da, hrhr..;)

  • A
    Amos

    Wo ist, bleibt hier eigentlich die Gerechtigkeit?

    Bei Bagatell-Delikten schlägt der Arm des Gesetzes mit voller Wucht zu. Was ist mit den Bänkern, die

    Rentner um ihr mühsam Erspartes gebracht haben um ihre hohen Provisionen abzuschöpfen. Wenn man schon

    straft dann nicht immer nur die Schwachen. Auch ein Staatsanwalt kann Anzeige erstatten, wenn es im öffentlichen Interesse liegt. Aber es scheint so, dass die "Coriolanusse der Justiz", daran gar kein Interesse haben.

  • AA
    Albert Anglia

    Das ganze kantinensystem basiert im grunde auf einem großen schwindel, d. h. einem scheußlichen spiel mit verschiedenen interessengruppen, dem die altenpflegerin zum opfer gefallen ist.

     

    Kantinenchefinnen und -chefs lassen sich immer mal wieder gerne von der lokalpresse seit an seit mit biobauern und der leitung der jeweiligen institution ablichten, wenn mal ein liefervertrag über eine ladung ökokartoffeln abgeschlossen worden ist.

    Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das gross an nahrungsmitteln in den vermutlich meisten kantinen der BRD eben nicht aus ököanbau besteht, sondern aus der konventionell produzierenden und verarbeitenden nahrungsmittelindustrie, die mit den kantinen rabattverträge über riesige lieferungsmengen abschließen, welche aufgrund des mindeshaltbarkeitsdatums gar nicht bis zum ablauf verkocht oder anderweitig verarbeitet werden können. Das system funktioniert also nur, wenn der wegschmiss von lachsbrötchen, thunfischsalat, fischfilets, maultauschen, pommes frites, salami, nudelsalat etc. in die restmülltonne mit einkalkuliert ist. Für die mitarbeiterinnen und mitarbeiter der kantinenbetriebe ist es oftmals ein großer GEWISSENSKONFLIKT, wenn sie kiloweise lasagne und anderes aus der gefriertruhe im kühlkeller geradewegs zum restmüll geben müssen, oder nicht verkauftes in eimer schmeißen müssen, die für die landwirte aus der umgebung zur verfütterung ihrer schweine bestimmt sind. Lachsbrötchen und thunfischsalat für deutsche schweine sind der kantinengastronomie um den preis des welthungers offenbar mehr wert als einer milliarde hungernden menschen durch nachhaltiges wirtschaften und verbrauchen zu helfen.

     

    Der altenpflegerin wäre in dieser hinsicht nichts vorzuwerfen. Frisch zubereitete lebensmittel gehören nicht auf den müll. Das haftungs- und hygienerecht müsste geändert werden und den angestellten und arbeiterInnen mehr eigenverantwortung zugestanden werden. Ein abmahnung hätte es auch getan. Es ist absolut unverhältnismäßig und irrational, eine fachkraft wegen so einer lappalie zu feuern, ausgerechnet in der unter personalmangel leidenden seniorenpflege. Die arbeitsrichterin sollte sich was schämen!!

  • S
    stinksauer

    Die Frau ist 58. Ich kriege immer wieder mit, wie Arbeitgeber versuchen, die Leute nach jahrelanger Beschäftigung kurz vor der Rente noch schnell rauszuschmeißen. Sauerei.

  • W
    WanTan

    Ich hoffe die Frau besinnt sich, nimmt die Abfindung, und macht irgendwo in der Nähe des Altenheims einen Imbiss auf wo es hochqualitative Maultaschensuppe und andere Leckereien zu kaufen gibt. Und ich hoffe dass sie damit dann den Reibach macht. Und natürlich sollte sie die Idioten von der Verwaltung, die ihr gekündigt haben, nicht bedienen.

  • R
    ravioli

    Sollte die Frau Maultaschen in ihrer Handtasche gehabt haben, bedeutet das auch, dass diese Handtasche offenbar durchsucht wurde. Eine ziemlich eklige Unsitte.

    Nun sucht die Stiftung konsequenterweise Praktikanten für die Öffentlichkeitsarbeit.

    http://www.klinikum-konstanz.de/info/stellen/praktoem.html

    Natürlich ist hier von Vergütung und festgelegter Arbeitszeit nicht die Rede, abgesehen davon, dass fortgeschrittene Kenntnisse abgefragt werden, also wieder mal ein potentieller Job für einen Freiberufler oder Angestellten von einem Prakti erledigt (vermutlich unbezahlt) wird.

    An anderer Stelle wirbt man damit, dass Patienten möglichst schnell durchgeschleust werden.

    Was war noch mal der Grund, solche Stiftungen als "gemeinnützig" zu bezeichnen?

  • F
    franz

    unglaublich, "wehret den anfängen" bringt es Rechtsexperte Risak im Interview auf den Punkt: http://derstandard.at/1254311412091/Entlassungsgrund-Laberl-Das-ist-so-ein-Wehret-den-Anfaengen-Fall

     

    weiters eben ausgezeichneter dokumentarfilm (v. Eva Stotz) zum thema, sehr zu empfehlen: http://www.3sat.de/film/woche/129239/index.html

  • T
    Tara

    wenn mich mein arbeitgeber kündigen will und ich 25000 euro abfindung als entschädigung bekommen kann, dann nehm ich lieber das geld, anstatt mich weiter mit den herrschaften rumzuärgern.

    Grundsätzlich ist es höchst krimminell, was da nich nur in Deutschland, tonnenweise an lebensmitteln weggeworfen wird. hauptsächlich riesige mengen an fleisch und milchprodukten