Gerhard Besier über Sachsen-CDU: "Dem Filz ein Ende setzen"
Früher hat er Kohl beraten, nun sitzt Gerhard Besier für die Linke im Sächsischen Landtag. Der Theologe und Historiker über Parlamentsarbeit, politische Kultur und seine Partei.
taz: Ihre akademische Karriere als Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung endete 2008 unfreiwillig. Freiwillig haben Sie danach für die Linke in Sachsens Landtag kandidiert - trotz geringer Karriereaussichten. Bereuen Sie das mittlerweile?
Gerhard Besier: Ich wollte zu keinem Zeitpunkt eine politische Karriere machen, und mir bleibt ja mein Lehrstuhl für Europastudien. Speziell für Sachsen meinte ich, dass wir der 20 Jahre lang regierenden CDU einen Kontrapunkt entgegensetzen müssen. Die Fraktion, die nach meiner Überzeugung dazu die Offenheit und den größten Willen hat, ist die Linke.
Die CDU bestimmt also zumindest noch indirekt ihr Verhalten?
GERHARD BESIER Der 63-jährige promovierte Theologe und Historiker war einst Berater von Helmut Kohl. Von 2003 bis 2008 war er Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, sein Vertrag dort wurde auch auf Betreiben der CDU nicht mehr verlängert. Seitdem ist Besier Professor für Europastudien an der TU Dresden. Er sitzt seit 2009 für die Linke im Sächsischen Landtag.
In Hessen hätte ich Ähnliches nach 20 Jahren SPD-Regierung aus demokratiehygienischen Gründen auch gesagt. Dem Filz, der in Sachsen angesichts der neuen Verhältnisse nach der Wende besonders schnell gewachsen ist, muss ein Ende gesetzt werden. Es darf einfach nicht selbstverständlich sein, dass man in der Kirche und in der CDU sein muss, um in diesem Land Karriere zu machen.
Was kann man ausgerechnet in der Linken bewirken?
Man braucht einen langen Atem und muss in zäher Kleinarbeit tätig werden. Und man muss sich in seinem Ressort Respekt verschaffen.
Jetzt sprechen Sie von beharrlicher Kleinarbeit, haben aber oft genug über Leerlauf und Ballast in der Fraktionsarbeit geklagt.
Es gibt hier barocke Formen, die passen vielleicht zu Dresden, aber nicht in ein Parlament. Sehr feierlich werden Essen zelebriert und von langer Hand Reisen geplant, Dinge, die zur Sacharbeit wenig beitragen. Ich beobachte ein Streben, parlamentarisches Leben jenseits der Sachthemen zu inszenieren.
Sie passen als diskursverwöhnter Intellektueller überhaupt nicht in das Durchschnittsprofil der Linken.
Ich fühle mich in der Fraktion akzeptiert. Und für mich sind alle, die ein höheres Maß an innerer Freiheit besitzen, angenehme Gesprächspartner, quer durch die Fraktionen. Überhaupt erkenne ich hinsichtlich der politischen Subkulturen immer weniger Unterschiede zwischen der Linken und anderen. Das gilt besonders für die Gruppe der jungen Abgeordneten. Sie kennen sich untereinander gut und angesichts ihrer kurzen Lebensgeschichte - die wenigsten haben zuvor einen Beruf ausgeübt - fragt man sich, ob es nicht eher Zufall war, in welcher Partei sie gelandet sind. Die Linke in Sachsen erlebe ich ohnehin als linke bis mittige SPD. Überhaupt existieren wesentliche Unterschiede bei den Parteien nur bei der Frage starker oder schwacher Staat.
Man begegnet manchmal Linken, die selbstironisch an den alten DDR-Slogan erinnern: Wir wissen zwar nicht, was wir wollen, aber das mit ganzer Kraft.
Aber das ist doch kein Alleinstellungsmerkmal! Schauen Sie nur in die weich formulierten Parteiprogramme. Alle versuchen, ihren Bogen um eine sehr disparate Wählerschaft zu ziehen. Die Linke kommt zumindest nicht auf die Idee, nun ausgerechnet bei den besser verdienenden Selbstständigen um Stimmen zu buhlen. Die Probleme bestehen darin, dass die Milieus verschwinden und die Individualisierung so stark zugenommen hat, dass keine Partei mehr zielsicher bestimmte Segmente der Gesellschaft ansprechen kann.
Müsste die Linke, um sich von anderen zu unterscheiden, nicht eher auf Fundamentalopposition setzen?
Das wäre der größte Fehler! Das mögen die Deutschen nicht. An der Eigentumsfrage beispielsweise sollte nicht ernsthaft gerüttelt werden, freilich am Sozialstaat auch nicht.
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