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Gerhard Besier über Sachsen-CDU"Dem Filz ein Ende setzen"

Früher hat er Kohl beraten, nun sitzt Gerhard Besier für die Linke im Sächsischen Landtag. Der Theologe und Historiker über Parlamentsarbeit, politische Kultur und seine Partei.

Demo gegen Haushaltskürzungen vor dem sächsischen Landtag (16. Juni 2010). Bild: apn
Michael Bartsch
Interview von Michael Bartsch

taz: Ihre akademische Karriere als Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung endete 2008 unfreiwillig. Freiwillig haben Sie danach für die Linke in Sachsens Landtag kandidiert - trotz geringer Karriereaussichten. Bereuen Sie das mittlerweile?

Gerhard Besier: Ich wollte zu keinem Zeitpunkt eine politische Karriere machen, und mir bleibt ja mein Lehrstuhl für Europastudien. Speziell für Sachsen meinte ich, dass wir der 20 Jahre lang regierenden CDU einen Kontrapunkt entgegensetzen müssen. Die Fraktion, die nach meiner Überzeugung dazu die Offenheit und den größten Willen hat, ist die Linke.

Die CDU bestimmt also zumindest noch indirekt ihr Verhalten?

Bild: Die Linke Sachsen – Lizenz: CC-BY
Im Interview: GERHARD BESIER

GERHARD BESIER Der 63-jährige promovierte Theologe und Historiker war einst Berater von Helmut Kohl. Von 2003 bis 2008 war er Direktor des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung, sein Vertrag dort wurde auch auf Betreiben der CDU nicht mehr verlängert. Seitdem ist Besier Professor für Europastudien an der TU Dresden. Er sitzt seit 2009 für die Linke im Sächsischen Landtag.

In Hessen hätte ich Ähnliches nach 20 Jahren SPD-Regierung aus demokratiehygienischen Gründen auch gesagt. Dem Filz, der in Sachsen angesichts der neuen Verhältnisse nach der Wende besonders schnell gewachsen ist, muss ein Ende gesetzt werden. Es darf einfach nicht selbstverständlich sein, dass man in der Kirche und in der CDU sein muss, um in diesem Land Karriere zu machen.

Was kann man ausgerechnet in der Linken bewirken?

Man braucht einen langen Atem und muss in zäher Kleinarbeit tätig werden. Und man muss sich in seinem Ressort Respekt verschaffen.

Jetzt sprechen Sie von beharrlicher Kleinarbeit, haben aber oft genug über Leerlauf und Ballast in der Fraktionsarbeit geklagt.

Es gibt hier barocke Formen, die passen vielleicht zu Dresden, aber nicht in ein Parlament. Sehr feierlich werden Essen zelebriert und von langer Hand Reisen geplant, Dinge, die zur Sacharbeit wenig beitragen. Ich beobachte ein Streben, parlamentarisches Leben jenseits der Sachthemen zu inszenieren.

Sie passen als diskursverwöhnter Intellektueller überhaupt nicht in das Durchschnittsprofil der Linken.

Ich fühle mich in der Fraktion akzeptiert. Und für mich sind alle, die ein höheres Maß an innerer Freiheit besitzen, angenehme Gesprächspartner, quer durch die Fraktionen. Überhaupt erkenne ich hinsichtlich der politischen Subkulturen immer weniger Unterschiede zwischen der Linken und anderen. Das gilt besonders für die Gruppe der jungen Abgeordneten. Sie kennen sich untereinander gut und angesichts ihrer kurzen Lebensgeschichte - die wenigsten haben zuvor einen Beruf ausgeübt - fragt man sich, ob es nicht eher Zufall war, in welcher Partei sie gelandet sind. Die Linke in Sachsen erlebe ich ohnehin als linke bis mittige SPD. Überhaupt existieren wesentliche Unterschiede bei den Parteien nur bei der Frage starker oder schwacher Staat.

Man begegnet manchmal Linken, die selbstironisch an den alten DDR-Slogan erinnern: Wir wissen zwar nicht, was wir wollen, aber das mit ganzer Kraft.

Aber das ist doch kein Alleinstellungsmerkmal! Schauen Sie nur in die weich formulierten Parteiprogramme. Alle versuchen, ihren Bogen um eine sehr disparate Wählerschaft zu ziehen. Die Linke kommt zumindest nicht auf die Idee, nun ausgerechnet bei den besser verdienenden Selbstständigen um Stimmen zu buhlen. Die Probleme bestehen darin, dass die Milieus verschwinden und die Individualisierung so stark zugenommen hat, dass keine Partei mehr zielsicher bestimmte Segmente der Gesellschaft ansprechen kann.

Müsste die Linke, um sich von anderen zu unterscheiden, nicht eher auf Fundamentalopposition setzen?

Das wäre der größte Fehler! Das mögen die Deutschen nicht. An der Eigentumsfrage beispielsweise sollte nicht ernsthaft gerüttelt werden, freilich am Sozialstaat auch nicht.

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6 Kommentare

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  • W
    Weinberg

    Besier: „An der Eigentumsfrage beispielsweise sollte nicht ernsthaft gerüttelt werden, freilich am Sozialstaat auch nicht.“

     

    Irgendwie erinnert mich dies an den Kabarettisten Volker Pispers (… bis neulich 2010 – z. B. „Die Angst vor dem Sozialismus“).

  • A2
    Agenda 2010-Widerstand

    Für meinen gestrigen Kommentar muß ich wohl um ein wenig Nachsicht bitten, schließlich zeigt eine Suchanfrage "Anthroponautiker" kaum noch Suchergebnisse.

     

    Somit hier

    - den "Versuch einer politischen 'Ortung' der sich als Wahlalternative ASG gerierenden 'Anthroponautiker'" vom August 2004:

    http://www.wikiupload.com/ZL65DAEJH8U9RWA

     

    - ein Informationsschreiben über die "Pressekonferenz zur Vorstellung der Kampagne 'Rotstift 2004'" von "Drei anthroponautische(n) 'Segler(n) unter falscher Flagge'" vom September 2004:

    http://www.wikiupload.com/BDABIYL8SF6JHG0

     

    sowie

     

    - einer Gegendarstellung der "Gesellschaft für Völkerverständigung e.V.", veröffentlicht in der Vereinszeitschrift vom Oktober/November 2004: http://www.wikiupload.com/PKNWEVPNWRXDAM5

     

    (Oskar Lafontaine war vom Aktionsbündnis "Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit Leipzig" für den 30. August zur Montagsdemonstration eingeladen, worauf Enrico Stange die Öffentlichkeit wissen ließ, daß aufgrund dieser Einladung "die Gesellschaft für Völkerverständigung aus dem Aktionsbündnis ausgetreten ist"...)

     

     

    Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Herrn Enrico Stange,

    der Ihnen auch für weiterführende Informationen gern behiflich sein wird, schließlich war Herr Enrico Stange auch

    - Dozent der "Freie(n) Hochschule(n) für Anthroponautik i.G.":

    http://www.wikiupload.com/LNDPAHDPIWBD0ST

     

    und

     

    - Ansprechpartner für die Anthroponautik-Homepage:

    http://www.wikiupload.com/B2SML4U2I98VYI3

     

     

    Abschl. noch (zur Erheiterung) ein Bilddokument vom WASG-Bundesparteitag am 24./25. März 2007:

    http://www.wikiupload.com/HE4C4C48PYQD9S8

     

    (Enrico Stange, rund zweieinhalb Jahre zuvor noch LINKER Gegner von Oskar Lafontaine, lauscht nun gespannt und aufmerksam einer Rede Lafontaines, hahaha...)

  • F
    Filzlaus

    Welcher Filz denn? Bloß nicht konkret werden, Herr Besier! Als ob in Sachsen alle öffentlichen Stellen mit CDU-Leuten besetzt würden...

     

    Ich lasse mich nicht gern von Leuten über Korruption belehren, die sich nicht in aller Deutlichkeit und immer wieder von Wandlitz und dem SED-Bonzentum distanzieren!

  • IL
    Intellektueller Linker

    "Sie passen als diskursverwöhnter Intellektueller überhaupt nicht in das Durchschnittsprofil der Linken."

     

    Liebe TAZ was ist das hier wieder für eine billige Polemik. Wo finden sich den bitte bei den vier gleichgeschalteten Reichs...ähem Bundesparteien diskursverwöhnte Intellektuelle?

     

    Anders sind wohl gerade die hahnebüchenden Entscheidungen zur Erosion unseres Sozialstaates durch SPD und Grüne kaum zu erklären. Bei allem Murks der aktuellen schwarz-gelben Koaliation darf man nämlich nicht vergessen, dass es rot-grün war, die wesentlich zur dramatischen Verschlechterung der Arbeitnehmer in den vergangenen 10 Jahren beigetragen hat. In dieser Zeit sind mir in beiden Parteien auch keine diskursverwöhnten Intellektuellen aufgefallen.

  • HH
    Harald Hildebrandt

    Dr. André Hahn, Fraktionsvorsitzender der Die Linke im Sächsischen Landtag, hat schon in seiner Analyse der Landtagswahl 2004 im Freistaat Sachsen festgestellt, der Weg zur Landesregierung führt für Die Linke in Sachsen über eine Koalition mit der CDU. Wichtigstes Ziel sei es daher, für die CDU koalitionsfähig zu werden.

    Was sich nur im Westen ketzerisch anhört, im Osten kennt man sich oft noch von früher, Ministerpräsident Tillich, CDU, erwies sich schon in einem anderen Staat als willig.

     

    Von daher sind die Äusserungen des Herrn Prof. Fr. Besier spätestens dann Makulatur, wenn Die Linke endlich dort ist, wo sie seit zwanzig Jahren hin will.

    Bis dorthin kann ein Wadenbeisser nicht schaden, die SPD hielt sich zu diesem Zweck den MdL Karl Nolle, von dem man in Zukunft wieder mehr hören wird, seitdem die SPD wieder in der Opposition ist.

    Von daher, Herrn Besier halte ich für einen nützlichen Idioten, wer etwas über die Verhältnisse in Sachsen erfahren will, kommt an der Homepage von MdL Karl Nolle (leider) nicht vorbei.

  • A2
    Agenda 2010-Widerstand

    Hahaha "(...) die Gruppe der jungen Abgeordneten (...) kennen sich untereinander gut und angesichts ihrer kurzen Lebensgeschichte - die wenigsten haben zuvor einen Beruf ausgeübt - fragt man sich, ob es nicht eher Zufall war, in welcher Partei sie gelandet sind" ... und letzteres trifft zumindest auf Enrico Stange zu, der mit seiner Anthroponauten-Clique die Leipziger Sozialproteste schwächte und sich bei der Hetze gegen den Auftritt von Oskar Lafontaine (am 30. August 2004 auf dem Augustusplatz) nicht "nur" einreihte, sondern in Höchstform auflief.

     

    "Köstlich", halt DIE (unbedarften) LINKEn...hahaha