■ Geräuschlos und leise steuert die FDP nach rechts: Wird man Möllemann noch vermissen?
Fast schon verdächtig, wie glatt und reibungslos die FDP die Erbschaft von Jürgen Möllemann verteilt. Keine Zweifel sind mehr erlaubt, daß nun Klaus Kinkel nicht nur den Parteivorsitz übernehmen wird, sondern auch das Ehrenamt eines Vizekanzlers. Gibt es denn eine Alternative? Beinahe ebenso unangefochten scheint die Wahl auf Günter Rexrodt zu fallen, wenn es um Möllemanns Nachfolge im Wirtschaftsministerium geht. Macht der Mann nicht ein gutes Bild auf den Fernsehschirmen, ist er nicht obendrein fachkompetent und mit den Problemen des Ostens bestens vertraut?
Die gewollte Geräuschlosigkeit dieser Job-Rotation verschleiert jedoch ihren Charakter als Richtungsentscheidung. Mit Rexrodt holen sich die Bonner Liberalen einen Mann ins Haus, der wohl seriöser wirkt als Möllemann, jedoch noch weiter rechts einzuordnen ist. Möllemann, immerhin, sorgte wenigstens ab und zu für Kritik am Anpassungskurs seiner Bonner Parteifreunde – wenn auch aus dem durchsichtigen Motiv, Parteichef Lambsdorff zu ärgern und sich von Fraktionschef Solms, diesem puren Double eines CDU-Politikers, abzuheben.
Gut möglich, daß man Möllemann bald vermissen wird. Von Rexrodt jedenfalls sind, nach allen Erfahrungen in Berlin, Ausflüge in die Gedankenwelt des originären Liberalismus nicht zu erwarten. Er wird einen Wirtschaftsminister ganz nach dem Geschmack des Bundeskanzlers abgeben, den die Freidemokraten doch eigentlich mit dem Außenminister Kinkel schon überreichlich beschenkt haben. Was eigentlich an diesem Mann das spezifisch Liberale sein könnte, das ihn zum FDP-Chef prädestiniert, das wagt inzwischen schon keiner mehr zu fragen. Als sich Kinkel noch auf dem festen Boden der Justizpolitik bewegen konnte, lieferte er einige liberale Mutproben. Doch heute rudert er durch die Außenpolitik, als hätte er sowohl Kompaß wie Steuerrad längst verloren und sich hilfsweise entschlossen, das Boot nach Zuruf des Bundeskanzlers zu lenken.
Symptomatisch für den Zustand der FDP, daß das kleine Fähnlein der Linksliberalen weder zu Kinkel noch zu Rexrodt eine Alternative aufbieten könnte. Die letzte prominente Verfechterin des klassischen Liberalismus, die die FDP in Bonn vorzeigen kann, ist die Justizministerin – und daß Sabine Leutheusser- Schnarrenberger in dieses Amt geriet, war eigentlich ein Versehen. Die Linksliberalen glauben immer noch, die große Richtungsentscheidung stehe der Partei erst bevor: ob sie sich links oder rechts von der CDU einsortiert, wenn sie eines Tages von den Oppositionsbänken gegen die Große Koalition antreten muß. Tatsächlich hat die FDP gar nicht mehr die Wahl. Hans-Martin Tillack, Bonn
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen