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■ Gerade in der Krise müßte die Politik die Hochschulen stärken. Doch in Wahrheit betreibt sie deren EntmachtungDas Bildungsdebakel

Das Verhältnis von Politik, genauer Regierungspolitik, zu den Hochschulen ist zur Zeit – vor allem in Berlin – auf dem Nullpunkt angelangt. Beide Seiten bunkern sich in Schützengräben ein – dort läßt sich aber schlecht denken, und Lösungen finden sich schon gar nicht. Politik und Hochschule drohen in diesem Zwist ihre Verantwortung aufzugeben. Die phantasievoll protestierenden StudentInnen agieren dazwischen ohne eindeutige Forderungen. Diese Konstellation birgt die große Gefahr, von Aggression über Frustration in der Regression zu enden.

Die finanziellen Rahmenbedingungen für die Hochschulen werden politisch entschieden. In diesem Kampf haben die Hochschulen derzeit schlechte Karten. Der Ruf, in die Standortdebatte gefälligst Bildung und Wissenschaft aufzunehmen, wird als Phrase ebenso häufig wie folgenlos wiederholt. Die gesellschaftliche Bedeutung der Wissenschaft ist unstrittig, nicht aber ihre Verankerung in der Hochschule. Peter Glotz hat recht, wenn er für die Hochschulen einen massiven Bedeutungsverlust konstatiert. In wesentlichen Fragen der Gegenwart – wie Grundlagen einer ökologischen Umorientierung, Fragen der Gleichberechtigung der Frau, die Entwicklung der Arbeitsgesellschaft, die Stadtgestaltung – sind die Hochschulen in der Debatte keineswegs die Vorwärtstreibenden. Kurz, die Institutionen gelten nicht als so uneingeschränkt positiv, daß ihre Finanzierung, ihr Steueranteil unstrittig zugeteilt würde.

Zur Lösung des Finanzproblems der Hochschulen wurde die, kürzlich abgelehnte, Einführung von Studiengebühren gefordert. Ein sonderlich hilfreiches Mittel zur Sanierung der Hochschulfinanzen wäre dies ohnehin nicht gewesen. Sinnvoller wäre, wenn die Hochschulen nachweisen müßten, daß sie ihre Mittel optimal nutzen und intern verteilen. Die Verwendung der finanziellen, räumlichen und personellen Ressourcen bedarf erheblicher Effektivitätsprüfung.

Die Verfechter der Studiengebühren argumentierten auch mit dem Akademieprivileg: Wer studieren darf, soll dafür zahlen. Diese sozialpolitische Begründung von Studiengebühren ist durchaus ernst zu nehmen. Allerdings erscheint das Modell zur Reform der Studienfinanzierung – BAFF – schlüssiger. Dieses basiert auf einer solidarischen Refinanzierung eines Ausbildungsfonds, der letztlich von denen bedient wird, die diese Einrichtung genutzt haben.

Die Politik reagiert auf die Schwäche der Hochschulen mit populistischer Vorurteilspflege. Die Hochschulen in Berlin werden nicht nur hemmungslos als Steinbruch zur Haushaltskonsolidierung benutzt; sie sind auch massiv entmachtet worden. So ist das Eingriffsrecht für den Senat, das noch 1994 vom damaligen Senator Erhardt vergeblich angestrebt wurde, 1996 von der Großen Koalition beschlossen worden. Dieser Schritt ist für das Verhältnis von Politik und Hochschule in Berlin zerstörerisch: Die Hochschulen werden somit doch endgültig zu nachgeordneten Behörden reduziert. Die Politik maßt sich in dieser Machtverschiebung auf geradezu vermessene Art auch an, zur Gestaltung des Bildungsauftrages der Hochschulen, zum Studienangebot klügere Vorschläge zu machen. Doch in den politischen Gremien – Senat oder Abgeordnetenhaus – sitzt keineswegs der größere Sachverstand. Die Beispiele zur Schließung von sogenannten Doppel- und Mehrfachangeboten machen dies deutlich. Auf dem Tisch liegt immer noch der Vorschlag, die agrarwissenschaftliche Fakultät an der Humboldt-Universität zu schließen und die Lehrerausbildung an der Technischen Universität einzustellen. Beschlossen ist die Schließung der Zahnklinik an der FU und der Pharmazie an der HUB.

Eine Lösung kann es nur geben, wenn beide Seiten ihre Verantwortung stärken, nicht wenn sie sich diese gegenseitig streitig machen. Die Politik hat dabei Verläßlichkeit und die Planungssicherheit zu garantieren, daß nicht jedes Vierteljahr die Vorgaben geändert werden. Sie hat den wissenschaftlichen Einrichtungen Respekt entgegenzubringen und Vertragsverhältnisse anzubieten, die sie als gleichberechtigte Partner bei der Gestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse betrachten. Die Hochschulen ihrerseits haben nicht nur ihre eigene Interessenvertretung gegenüber dem Staat wahrzunehmen, sie sind verantwortlich für die Gestaltung ihres jeweils eigenen Bildungs- und Forschungsangebotes, und das in der Region. Das heißt: Ihre Kooperation untereinander muß erheblich verbessert werden. Wer den Eingriff des Staates abwehren will (was die Unis mit ihrer Klage ja anstreben), muß die eigene Verantwortung stärker akzeptieren.

Grundgesetzlich garantiert ist mit Art. 5 (3) die Freiheit von Forschung und Lehre. In Berlin ist dieser Artikel von den Hochschulen und den Bündnis-Grünen so interpretiert worden, daß diese Freiheitsgarantie auch für die Institution Hochschule gilt. Allerdings sind die Steuerungsinstrumente, die aus der Autonomie der einzelnen Professoren eine Autonomie der Hochschule als Gesamtinstitution machen, noch vollkommen unterentwickelt. Dafür ist die Position des einzelnen Professors zu stark und der Einfluß der anderen Gruppen zu schwach. Die Verantwortung für Forschung und Lehre braucht eine stärkere institutionelle Absicherung.

Dies löst allerdings nicht das Problem der regionalen Planung und der Verteilung des Bildungsangebotes zwischen den Hochschulen. Mit diesem Sachverhalt begründet die Koalition das Eingriffsrecht des Senats und der umstrittenen gemeinsamen Finanzkommission. Dies allerdings bestärkt die Hochschulen eher darin, nur ihre je eigene Interessenvertretung zu sein. Möglicherweise führt aus diesem Dilemma doch der Vorschlag heraus, die Universitäten Berlins zu einer „Universität zu Berlin“ zusammenzufassen, ihre jeweiligen Standorte mit starken Gremien auszustatten, um klare Profile zu sichern. Damit könnte die Diskussion um die Verantwortung der Hochschulen für ihr regionales Angebot in eine produktive Richtung gewendet und der Einfluß der Politik wieder reduziert werden. Sybille Volkholz

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