Georgier beim Gazprom-Verein Schalke 04: Chinesische Verhältnisse
Mit Politik hat Schalke 04 qua Vereinssatzung nichts zu tun. Auch der Georgier Levan Kobiashvili muss für den russischen Großsponsor werben.
GELSENKIRCHEN taz Schalke 04 war dicht dran an den dicksten Schlagzeilen der vergangenen Tage. Da gab es das Unglück am Flughafen von Madrid, wo die Mannschaft am gestrigen Dienstag um 12.45 Uhr landete. Gegen Atlético Madrid soll derEinzug in die Gruppenphase der Champions League geschafft werden (20.45 Uhr, live in der ARD). Und dann ist da der kriegerische Konflikt zwischen Russland und Georgien. Vielleicht wird sich das Machtgefüge Osteuropas in den kommenden Monaten grundlegend verändern, und auch das würde Schalke 04 tangieren.
Denn der wichtigste Sponsor des Bundesligisten ist bekanntlich Gazprom, der einflussreichste Energiekonzern der Welt, der zu 50,002 Prozent dem russischen Staat gehört und dessen Aufsichtsrat Dmitri Medwedjew im März zum Präsidenten Russlands aufstieg. Ebenjener Medwedjew, der nun die Intervention in Georgien anführt. Für Levan Kobiashvili muss es ein seltsames Gefühl sein, mit dem Gazprom-Schriftzug auf der Brust Fußball zu spielen. Der Georgier wirbt für einen Konzern, der eng verbunden ist mit einer Regierung, die das Leben seiner Familie bedrohte. Tagelang bangte Kobiashvili um seine Ehefrau Tamara und die Kinder Nicka und Salome, die ihre Ferien in der Heimat verbrachten und die erst im letzten Moment vor den Bombenangriffen auf Tiflis fliehen konnten. Dennoch sagt Kobiashvili tapfer: "Ich spiele für einen Verein, nicht für einen Sponsor."
Der Mittelfeldspieler, der in Madrid wohl Orlando Engelaar im defensiven Mittelfeld vertreten wird, ist ein Mensch, der nicht viel spricht. Und äußerst loyal ist er zudem. Dennoch ist ihm der Schrecken der vergangenen Wochen anzumerken. "Ein Teil des Landes ist zerstört, das tut weh, Georgien ist in meinem Herzen", sagt der 31-Jährige. Geschäftsführer Peter Peters nennt Gazprom einen "ganz normalen Hauptsponsor" und lobt die Russen als "guten und verlässlichen Partner". Darüber hinaus werde sich "der FC Schalke zu außenpolitischen Themen nicht äußern", das ergebe sich schon aus der Vereinssatzung, erklärt Peters. Dort heißt es: "Politische und weltanschauliche Zwecke dürfen nicht verfolgt werden."
Der Verweis auf einen Paragrafen, der politische Stellungnahmen untersagt, erinnert frappierend an die Olympischen Spiele von Peking. Wie das chinesische Sportfest ist Schalkes Partnerschaft mit den Russen eine Angelegenheit mit einer glänzend aufpolierten Seite, Geschenken an die Fans, Aktionen für ein friedliches Miteinander, und tollem Sport, während die moralisch schwierigen Aspekte eher störend wirken. Präsident Josef Schnusenberg hat einst erklärt: "Es ist doch nicht so, als würden wir wirtschaftliche und politische Entwicklungen in der Welt nicht erkennen. Aber ich wüsste auch gar nicht, was wir daran ändern könnten." Kritik ist nicht angebracht in so einer geldwerten Partnerschaft.
Stattdessen sprechen sie auf Schalke gerne von einer "Freundschaft" mit den Russen. Gazprom hat mittlerweile ein eigenes Büro im Gebäude der Fangemeinschaft und startete in diesem Sommer die Aktion "Gib Gas gegen Gewalt". Gemeint ist selbstverständlich Gewalt unter Fußballfans. Mehr noch als die Olympier hat Schalke Grund zur Loyalität, Gazprom hat den Klub schließlich aus einer prekären Situation gerettet. In einer Zeit, als Finanzexperten behaupten konnten, die Situation auf Schalke sei noch dramatischer als bei den kollabierten Dortmundern, war der Energieriese zur Stelle.
Schalkes Schulden sind kein Thema mehr, auch deshalb überwiegt die Dankbarkeit. "Ich habe große Angst um Schalke gehabt", gab Aufsichtsratschef Clemens Tönnies vor einiger Zeit in einem Interview mit der Neuen Ruhr Zeitung (NRZ) zu - dann kam Gazprom. Nach dem vergangenen Champions-League-Jahr mit dem Einzug ins Viertelfinale sind die Sponsoringeinnahmen des Klubs von 36,3 auf 50 Millionen Euro gestiegen, ein Großteil dieses Geldes stammt aus Russland. Und sollte der Klub nach dem knappen 1:0 im Hinspiel in Madrid ausscheiden, dann sind es vermutlich wieder die Gazprom-Gelder, die die Finanzierung des teuren Kaders sichern.
Rund 15 Millionen Euro verlöre der Klub ohne Teilnahme an der Gruppenphase, schmerzhaft ist daher der Blick auf die lange Liste der Verletzten (Jones, Engelaar, Neuer, Farfan). Immerhin ist Rafinha zurück von den Olympischen Spielen. Ob Trainer Fred Rutten den Brasilianer einsetzt, was die bislang bestens funktionierende Viererkette sprengen würde, will Rutten noch nicht verraten. Aber mit Rafinha haben sie eine neue Option. Der Streit über die unerlaubte Abreise des Verteidigers nach Peking soll rasch beigelegt werden. Und ein klein wenig hoffen sie sogar auf Jefferson Farfan, der sich im Hinspiel eine Schultereckgelenkssprengung zuzog. Denn es ist das definitiv wichtigste Schalker Spiel des Jahres, mit einem Erfolg könnte der Klub sogar seine Abhängigkeit von Gazprom ein wenig verringern. Und das würde wohl nicht nur Levan Kobiashvili gefallen.
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