Geordneter Rückzug der IG Metall

Gemeinsame Erklärung von IG Metall-Chef Steinkühler und Vorstandsmitglied Benz-Overhage: Kein Aufruf, massenweise den Kriegsdienst zu verweigern / IGM-Informationskampagne zur Verweigerung läuft an  ■  Von Bettina Markmeyer

Berlin (taz) - In Frankfurt nahmen gestern der IG Metall -Vorsitzende Franz Steinkühler und Vorstandsmitglied Karin Benz-Overhage zu dem umstrittenen Aufruf zur Kriegsdienstverweigerung Stellung: „Die gemeinsame Erklärung der IG Metall-Jugend und der Deutschen Friedensgesellschaft -Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) darf nicht als Aufruf des Vorstandes der IG Metall gewertet und mißverstanden werden, massenweise den Wehrdienst zu verweigern.“

Es gebe keinen Anti-Wehrdienstappell oder eine Ausgrenzung von Soldaten, heißt es in der gemeinsamen Erklärung des IGM -Chefs und der für Jugendfragen zuständigen Karin Benz -Overhage weiter, andererseits dürften aber auch junge Menschen, die aus Gewissensgründen den Wehrdienst verweigerten, nicht benachteiligt werden. „Wer aus Gewissensgründen verweigern will, soll durch verstärkte Information und Aufklärung in die Lage versetzt werden, dieses Grundrecht auch in Anspruch nehmen zu können. Grundrechte kann man nur wahrnehmen, wenn man sie kennt.“

Mit ihrer Verlautbarung vom Mittwoch distanziert sich die Führung der IG Metall lediglich davon, daß die gemeinsam mit der DFG-VK am 22.März veröffentlichte Erklärung unter dem Titel „Kriegsdienstverweigerung als Zukunftssicherung“ als „Aufruf“ durch die bundesdeutsche Presse gegangen ist. Sie persönlich, erklärte Karin Benz-Overhage gestern, stehe inhaltlich auch weiterhin sowohl zu der Erklärung, die sie für die IG Metall unterzeichnet hat, als auch dazu, was sie auf der Pressekonferenz am 22.März gesagt habe. „Die IG Metall und die DFG-VK wollen Mut machen, nein zu sagen zu einem Dienst, der zunehmend als sinnlos begriffen wird“, hatte sie auf dieser Pressekonferenz unter anderem erklärt. Auch für die IGM-Führung gelte, so Benz-Overhage gestern weiter, daß sie weiter zu der mit der Erklärung zur Kriegsdienstverweigerung gestarteten „Informationskampagne“ der Metall-Jugend und zu ihren, in der Erklärung veröffentlichten Forderungen stehe.

IG Metall und DFG-VK hatten die „endgültige und ersatzlose Abschaffung jeder Form von Gewissensprüfung“ verlangt, eine gleiche Dauer von Kriegs- und Zivildienst und die Verkürzung der Dienstzeit auf zwölf Monate gefordert. Diese Forderungen waren auf dem 15.ordentlichen Gewerkschaftstag der IGM im Oktober 1986 beschlossen worden. Per Mehrheitsbeschluß forderten die Delegierten die IGM-Führung auf, „auf die Parteien und die Bundesregierungen ein(zu)wirken, daß Wehr und Ersatzdienstleistende grundsätzlich gleich behandelt werden und daß die Bundesregierung die eingeführte Verlängerung des Wehr- und Zivildienstes rückgängig macht“. Die „Möglichkeiten der Kriegsdienstverweigerung im Zusammenhang mit dem Engagement zu Frieden und Abrüstung“, beschlossen die GewerkschafterInnen, müßten „stärker in die Informationsarbeit der IG Metall und ihrer Funktionäre einbezogen werden“. Mit ihrer Erklärung zur Kriegsdienstverweigerung und der Herausgabe verschiedener Informationsmaterialien tue die IG Metall derzeit nichts anderes, als den Gewerkschaftsbeschluß und einen gleichlautenden Vorstandsbeschluß vom Mai 1988 umzusetzen, sagte Karin Benz-Overhage.

Die heftigen Angriffe der Bundesregierung und einiger KoalitionspolitikerInnen auf die IG Metall wiesen Steinkühler und Benz-Overhage als „ungerechtfertigt und überzogen“ zurück. Die Bundesregierung wolle offenbar von Schwierigkeiten im eigenen Lager, von Wehrdienstverlängerung und mangelnden Abrüstungsinitiativen ablenken. Das rasche Ansteigen der Verweigerer spiegele demgegenüber einen Wandel in der Einstellung junger Menschen. Im letzten Jahr habe bereits jeder Fünfte den Dienst mit der Waffe verweigert. Selbst im Jugendoffiziersbericht des Bundesverteidigungsministers könne man nachlesen, daß heute der Zivildienst „vielfach als moralisch höherwertig und deutlicheres Zeichen persönlichen Friedenswillens bewertet“ werde als der Dienst in der Bundeswehr. Die IG Metall habe sich schon immer für Kriegsdienstverweigerer engagiert, sie unterstützt und ihnen seit den sechziger Jahren bei den Anerkennungsverfahren Rechtsschutz gewährt, betonte Karin Benz-Overhage. So gesehen stehe die jüngste Erklärung in einer langen Tradition. Ungeachtet der Abwiegelungen durch die IGM-Führung haben nach den Grünen inzwischen auch die Jusos den gemeinsamen „Aufruf“ von IG Metall und DFG-VK als eine Form des Widerstandes gegen die Rüstungspolitik begrüßt: „Endlich einmal setzt eine große Gewerkschaft ein so deutliches Nein gegen Aufrüstungspolitik.“