: Geordnete Queer Nation
■ David Adkins Film über schwule und lesbische Jugendliche
Die staatlichen Finanziers haben den von ihnen geförderten ersten großen Film des Kanadiers David Adkin bisher noch nicht gesehen. Er wird ihnen vermutlich gefallen: ein Aufklärungsfilm, der – nicht unlustig und ganz politically correct – für Toleranz gegenüber Homosexuellen wirbt.
Eine Fragestunde am College. Alle sitzen um eine Lesbe und einen Schwulen herum und dürfen Fragen stellen. Das Ausmaß an christlich fundierter Beschränktheit, das dabei zutage tritt, ist erschreckend. Wo am Anfang Adam und Eva waren, wie können da auf einmal Adam und Ewald auftreten? Das kann nicht rechtens sein, findet auch ein christlicher Bürger auf der Straße. Laut Statistik ist jeder zehnte Mann schwul. Die Fragestunde ist Bekenntnis von Jugendlichen, die ihr Coming Out nun öffentlich gemacht haben.
Es sind nette Jugendliche, eben boys and girls next door, mit den üblichen Jugendlichenträumen. Es wird Lebensgeschichte verhandelt, leider ausschließlich die sexuelle, und die pendelt zwischen urkomisch und tieftraurig. Hauptpersonen neben den eigentlich Porträtierten sind die Eltern, wie das so ist, wenn das eigene Leben noch nicht so lange dauert und sich zudem auf der Naht bewegt.
Bei Adkins läuft alles auf Sympathiegewinn und understanding hinaus, und so geben die befragten Eltern denn auch größtenteils heitere Episödchen über den Alltag mit ihren homosexuellen Sprößlingen von sich. So befragte eine jüdische Mutter ihren Sohn nach seinem ersten Freund: „Ist er wenigstens Jude?“ Insgesamt ist es eine nette Jugend aus vorwiegend netten Familien, die dem Zuschauer zu netter Popmusik vorgestellt wird. Straighte Queers, die nichts als geliebt werden wollen. Überhaupt scheint der ganze Film irgendwie an zuviel freundlichem Harmoniebedürfnis zu kranken. Selbst Zwischenrufe homophober Passanten wie „Tötet die Schwulen!“ wirken eher skurril als gefährlich – die Kamera bleibt sanft. Zu sanft. In vielen Szenen läuft der Film deshalb zu jenem falschen Pathos auf, das dummerweise entsteht, wenn zuviel didaktischer Wille im Spiel ist.
Dabei wird fast nichts ausgelassen, was explosiv ist, was dem Film Leben weitab vom Hochglanzfoto verleihen könnte. Der Straßenstrich für Schwule ebenso wenig wie schwule oder lesbische Minderheiten. Je dunkler die Hautfarbe, so gilt in der westlichen Welt, desto schwieriger das Coming Out. Homophobie, militantes Vorgehen gegen Schwule und Lesben, fängt der Film lediglich mit einem Netz aus bloßen Ideen auf. Schöne Bilder von lesbischen Mädchen in der Disco und vom Frauentag in Toronto, schmerzliche Erinnerungen eines schwulen Jungen, gerahmt von hinreichend elegischer Natur. Die Kamera jedenfalls will glauben und lehren.
Vielleicht ist in Kanada wirklich alles so einfach. Anke Westphal
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