Gentrifizierung in Eppendorf: Teurer wohnen am Wasser
Ein Investor klagt Mieter aus ihren Eppendorfer Wohnungen, um dort Luxus-Eigentum zu schaffen. Was das Bezirksamt Sanierung nennt, ist Abriss und Neubau.
Mutwillige Zerstörung und Vernichtung von preiswertem Wohnraum, Räumungsklagen gegen Mieter, Millionengewinne durch Grundstücksspekulation und die Anwaltskanzlei eines Hamburger Ex-Bürgermeisters und seines Sohnes mittendrin – es gibt reichlich Zündstoff um die geplante Umwandlung preiswerter Mietwohnungen in teure Eigentumswohnungen in der Eppendorfer Hegestraße.
36 Wohnungen in Terrassen-Bauweise, um 1890 errichtet, befinden sich im Hinterhof der Eppendorfer Hegestraße. 2009 wechselte das zweigeschossige Terrassen-Ensemble für 4,7 Millionen Euro den Besitzer. Die neuen Besitzer, zwei Firmen, hinter denen jeweils der Immobilienhändler Karl-Michael Denkner steht, wollen die preisgünstigen Miet- durch luxuriöse Eigentumswohnungen ersetzen.
Ihre Rechnung, die sie sogar in den Kündigungsschreiben an die Mieter detailliert darlegten, geht so: Fünf Millionen soll der Abriss der alten und der Neubau der neuen Wohnungen kosten, die dann für rund elf Millionen Euro verkauft werden könnten. Das macht einen Gewinn von mehr als sechs Millionen Euro.
Weil die neuen Besitzer dem zuständigen Bezirksamt Nord glaubhaft machten, dass sich eine Standard-Sanierung der Terrassen nicht mehr lohne, erteilte das Amt 2011 und 2012 Genehmigungen für eine Total-Sanierung, bei der nur die historische Fassade erhalten bleiben muss.
Die bisherigen Mieter jedoch müssen raus. 26 der insgesamt 36 Wohnungen stehen bereits leer, den verbliebenen zehn Mietparteien haben die Kündigung bereits bekommen. Um den Leerstand abzusichern, machten sie bereits entmietete Wohnungen unbewohnbar, indem sie Böden, Heizungen und Sanitäranlagen herausrissen, Wand- und Deckenverkleidungen zerstörten.
Um diese letzten Mieter zu vertreiben, beauftragte Denkner die Rechtsanwaltskanzlei Breiholdt & Voscherau, die nicht nur von Carl-Christian Voscherau mit geleitet wird, sondern die auch mit seinem Vater, Alt-Bürgermeister Henning Voscherau in einer Bürogemeinschaft engverbunden ist. Die Kanzlei klagt nun die angestammten Mieter aus dem Haus. Die wehren sich juristisch gegen ihre Räumung.
Während Denkner in seinen Kündigungen von Abriss und Neubau der Gebäude spricht, betont Thomas Domres, Chef der bezirklichen SPD-Fraktion, die Investoren dürften lediglich „umfangreich im Bestand sanieren, wobei die Größe und der Zuschnitt der Wohnungen und das gesamte Bauvolumen fast unverändert bleiben“.
Der Investor aber legte seiner Kündigung Planungen zu Grunde, in der weniger Wohnungen auf weit größeren Flächen als heute vorhanden entstehen und behauptet, dafür die Genehmigung in der Tasche zu haben. Obwohl es laut Bezirksamt nur um Sanierung geht, sprach das Amt Anfang der Woche eine Zweckentfremdungsgenehmigung aus, die der Investor braucht, um die Gebäude abzureißen.
Einschreiten könne die SPD trotz allem nicht. „Der Investor hat einen Rechtsanspruch auf die Genehmigung der Sanierung und auch auf eine Teilungsgenehmigung, mit der er die Miet- in Eigentumswohnungen umwandeln kann“, sagt Domres.
„Die SPD steht auf der Seite der Investoren und schert sich nicht um ihre soziale Verantwortung“, sagt Reinhard Barth von der Mietergruppe Hayn-/Hegestraße. Die Initiative wird noch in dieser Woche beim Bezirksamt Anzeige gegen den Investor erstatten, weil dieser die Wohngebäude planmäßig leer stehen und verfallen lasse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Förderung von E-Mobilität
Habeck plant Hilfspaket mit 1.000 Euro Ladestromguthaben
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien