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Das gute Leben realisiert ein Musiktheaterprojekt der Grundschule Nordstraße: Andere Menschen zu respektieren, statt sich durch Unterschiede bedroht zu fühlen.

Sie switchen gewohnt zwischen verschiedenen kulturellen Welten hin und her: die Kinder der Grundschule an der Nordstraße. Bild: Michael Bahlo

Die meisten Kinder der Theatergruppe sind reich – wenn auch nicht unbedingt an Geld, aber: Sie sprechen zwei oder drei Sprachen, sie kennen sich in mindestens zwei Kulturen aus, sie sind es gewohnt, zwischen verschiedenen kulturellen Welten hin und her zu switchen. Alles Fähigkeiten, die ihnen auch später zugute kommen können – und auf denen das Musiktheaterprojekt „Bunte Spuren von unterwegs“ basiert.

Die deutschen MitschülerInnen und LehrerInnen profitieren schon heute von dem, was sie durch diese Kinder lernen. Die meisten der 35 Theaterkinder im Alter von 4 bis 11 besuchen die internationale Grundschule an der Nordstraße in Walle, gegenüber dem Speicher XI, der Hochschule für Künste und der Überseestadt. Manche gehen noch in den Kindergarten. Sie lieben ihren Stadtteil – und das Land, aus dem sie selbst oder ihre Eltern oder Großeltern ausgewandert sind.

In diese Schule gehen auch zwei- oder dreimal in der Woche Mütter, die, beispielsweise bei Fehima Ben Achema und Bettina Horn-Udeze im „Mama lernt Deutsch“-Kurs, die deutsche Sprache erlernen. So entstand die Idee, mehr voneinander zu erfahren: Wie klingt Urdu, die Sprache Pakistans, wie Katalanisch, wie das kurdische Zaza oder Twi aus Ghana?

Auch das Plattdeutsch, das Reinhard Goltz den Kindern näherbrachte, war für viele fremd und ungewohnt. Durch zweisprachig erzählte Märchen, Lieder, Bewegungsspiele, Abzählreime haben Kinder und Erwachsene viel Neues mitbekommen. Alina und Andreu mögen das Bewegungsspiel aus Ghana besonders gern – ihre Muttersprachen sind neben Deutsch Katalan und Spanisch. Rutka spricht Mazedonisch, Aleyna Türkisch, aber sie lieben beide den Reim von „De dicke Deern“. Es ist bekannt, dass reiche Sprachkenntnisse, wie viele der internationalen Theaterkinder sie besitzen, den Erwerb jeder neuen Sprache leichter machen. Das ist zu merken: Die Kinder lernen oft spielend. Einen kleinen Teil dieses Schatzes bringen sie auf die Bühne.

Die Kinder haben während der Arbeit am Stück von Erfahrungen aus ihrem Leben berichtet, von schönen und auch von traurigen. Der deutsch-italienische Rapper André Oskar Wild und die polnisch-französische Musikerin Marie Adamowicz haben aus den Erlebnissen und Träumen der Kinder Lieder und Raps für das Theaterstück geschrieben. Hane Januzi, eine Mutter aus dem Kosovo, singt und begleitet sich mit ihrer Daf, Lütfi Laleci, ein türkischer Vater, singt zur Saz.

Auch das Theaterteam ist international – Aeneis, Niklas und Rumeysa, ehemalige SchülerInnen der Schule an der Nordstraße beziehungsweise StudentInnen. Führend mit dabei auch die Tänzerin Tanja Wandzik, die bald ihre Ausbildung als Tanz- und Bewegungspädagogin bei Impuls beendet: „Ich erlebe in der schönen Arbeit mit den Kindern, dass Tanz, Theater und Musik die besonderen Eigenschaften der Kinder hervorheben und ihre Kreativität und ihr Selbstbewusstsein entwickeln.“

Und Angelika Hofner, die in der Schule an der Nordstraße Musik und Theater unterrichtet und sich freut, dass so viele junge Menschen im Team mitmachen: gutes Leben bedeutet, andere Menschen zu respektieren und ernst zu nehmen, sich an der Unterschiedlichkeit, die bereichernd für alle sein kann, zu freuen, statt sie als bedrohlich wahrzunehmen.

Das alles lernen Kinder, wenn sie den Mut haben, auf der Bühne zu stehen und sich mit den anderen Kindern verantwortlich zu fühlen für das gemeinsam entwickelte Theaterstück. Gleichzeitig gehören diese Fähigkeiten zu den Grundlagen von Kommunikation, Sozialverhalten und menschlichen Beziehungen. Besser könnten sich die Kinder doch neben dem Wissenserwerb gar nicht auf ihr Leben vorbereiten.

Premiere: Do, 19. 4. 18 Uhr, dann 20. 4., 10.30  Uhr , 21. 4., 16 Uhr, 25. 4., 8.30 & 10.30 Uhr sowie 26. 4., 8.30 & 10.30 Uhr. Schule an der Nordstraße, Aula, Reservierung erbeten unter: ☎ 0421-361 82 82 oder: ■ Peter, 66, Dirigent, Pianist, Komponist und Kreismusikschuldirektor a. D. aus Rotenburg, ist seit zwei Jahren Genosse

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