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Aus taz FUTURZWEI

Generationenkonflikt Klimakrise Boomer gegen Junge?

Historiker Nils Minkmar erklärt, warum die Rede vom Generationenkonflikt zu kurz greift.

Generationenkonflikt: Luisa Neubauer und Friedrich Merz Foto: picture alliance/dpa

Von NILS MINKMAR

Die Klimakrise ist kompliziert, die Rede vom Konflikt der Generationen ist es nicht. Jeder Mensch lernt schon als Kind, dass es alte und junge Personen gibt, die unterschiedliche Dinge dürfen, unterschiedliche Interessen pflegen und überhaupt anders sind. Sie sind vermutlich auch noch aus anderen Gründen und in anderer Hinsicht unterschiedlich, aber das Alter, also die Generation, ist eine schlichte, leicht festzustellende und außer von Zsa Zsa Gabor nicht zu leugnende Tatsache.

Ist doch schön, wenn man sie nutzen kann, um schwierige Probleme zu erklären.

Die Generation der Boomer verpestet und verwurstet den Planeten, die junge, die letzte Generation möchte ihn hingegen retten. Alle Menschen unter dreißig sind Veganer und Wandern gern, alle, die älter sind, essen Steaks im Porsche. Junge Leute möchten mehr Natur bewahren für sich und ihre Kinder, die Senioren freuen sich auf südliche Sonne und günstige Flüge – es klingt so einleuchtend, dass man es unbedingt glauben möchte.

Dieses Sprechen wird von der Dauerverwendung des Generationenbegriffs unterstützt: Es gibt kein Entkommen mehr vor dem G-Wort. Seit Florian Illies seine Jugenderinnerungen zur Generation Golf überhöhte und die französischen Sozialisten mangels neuer Ideen die Wiederwahl ihres Präsidenten mit dem Slogan der Generation Mitterrand empfahlen, findet die Generation immer dort Verwendung, wo man gerade keine zündende Idee hat.

Oft genug bedeutet es nicht mehr als meine Freunde und ich, aber das wohlplatzierte G-Wort bringt dann doch etwas soziokulturellen Überbau in den Artikel.

Wenn einige Aktivisten ihren Forderungen durch bunte Aktionen Nachdruck verleihen, kann man daraus eine kurze Meldung mit Foto machen, wenn die aber als Vertreter einer Generation gedeutet werden können, dann hat das gleich einen anderen Wumms. Denn Generation ist Natur: Die alte Generation vergeht, eine neue kommt, das ist ebenso unaufhaltsam wie der Wechsel der Jahreszeiten und der Lauf der Gestirne. Das kann, je nach Position, ganz schön ängstigen oder aufregen und weil beides das Denken hindert, fragt man vielleicht gar nicht mehr, ob das so auch stimmt. Unser Gehirn strengt sich und uns an beim Nachdenken, man nimmt da gerne einen bequemeren Weg: Der amerikanische Psychologe Daniel Kahneman hat es in seinem Bestseller Schnelles Denken, langsames Denken erläutert: Manchmal wählt sich das Hirn, das vor der Lösung einer anstrengenden Aufgabe steht, einfach eine viel leichtere Fragestellung, um die Sache schneller zu beenden. Wo man etwa beim Hauskauf alles Mögliche durchdenken und berechnen müsste, weicht man lieber auf die Beantwortung der Frage aus, wie einem das Haus gefällt. Oder die Nachbarschaft oder der Makler.

Ökologischer Umbau an der Machtfrage gescheitert

Die Klimakrise ist das Komplexeste, das bedrohlichste und zugleich das umfassendste Thema unserer Zeit. Es gibt vor seinen Auswirkungen kein Entkommen, die möglichen Folgen sind heftig und es ist schuldbeladen. Kein Wunder also, dass man die Auseinandersetzung damit gern auf übersichtlicheres Terrain verlegt, auf Alt gegen Jung:

Doch wenn man sich nur an die eigene Schulklasse zurückerinnert und an die Vielfalt der Charaktere, Weltanschauungen und politischen Meinungen, die dort versammelt war, mögen leise Zweifel an der politisch-ideologischen Einheit einer Altersgruppe aufkommen. Klimaschützer finden sich in allen Milieus und Altersgruppen und umgekehrt genügt ein Blick in die Filialen von McDonald‘s oder in eine Fahrschule, um festzustellen, dass sich auch die Generation Greta am gesellschaftlichen Mainstream entlang bewegt.

Es geht weniger um Alt und Jung als um Machtfragen.

Alte Männer wie Franz Alt und Hoimar von Ditfurth haben schon früh das Ausmaß der sich entwickelnden Probleme erkannt, aber sie hatten schlicht nicht die Mehrheit, nicht die Macht, um den Ausstieg aus der Fossilwirtschaft zu bewerkstelligen. Oskar Lafontaine schrieb vor Jahrzehnten schon ein Manifest für den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft, verlor dann aber den Faden und wurde ausgebremst. Es ist eine lange traurige Geschichte, die viel besser klingt, wenn plötzlich der Nachwuchs kommt und den Karren wieder flottmacht.

Die französische Künstlerin und Klimafreundin Camille Étienne griff dieses Argument einmal auf ungewohnte Weise auf. Wenn jemand ihr, selbst mit den besten Absichten, wieder mal erzählt, die junge Generation werde es besser machen und das Klima retten, dann weist sie das zurück: Es wäre nichts anders als die Lizenz zum Nichtstun für alle, die schon in den besten Jahren sind. Die sich nach dem Fest zurücklehnen und die Dorfjugend dafür loben, den verwüsteten Ort wieder schön zu machen.

Und das kann ja eigentlich nicht sein.

Dieser Beitrag ist im März 2023 in taz FUTURZWEI N°24 erschienen.