■ Generalmobilmachung bei den bosnischen Serben: Vor der Entscheidungsschlacht
Mit der Generalmobilmachung in den serbisch besetzten und ethnisch gesäuberten Gebieten Bosniens wird noch einmal deutlich, worum es den Führern dieser Kriegspartei allen anderslautenden Statements zum Trotz wirklich geht. Die serbischen Nationalisten wollen den Staat Bosnien-Herzegowina zerstören und die muslimische Bevölkerung vertreiben oder gar töten. Daß die politisch heruntergekommene führende Riege in Zagreb dasselbe Ziel verfolgt, zeigen nicht nur die seit Weihnachten zu beobachtenden Truppenbewegungen der Armee Kroatiens, die seither versucht, Verstärkungen in die zentralbosnischen Kriegsgebiete zu bringen. Mit dem vorgestern unterzeichneten Waffenstillstandsabkommen zwischen Kroatien und der serbisch besetzten (kroatischen) Krajina wird die Zusammenarbeit der beiden ehemaligen Gegner unterstrichen.
Es braucht keine große Phantasie, um sich vorzustellen, in welch verzweifelter Lage sich die bosnische Armee befindet, die keineswegs von „Mudschaheddin“ geleitet wird, wie dies der Spiegel ausgerechnet diese Woche glauben machen möchte. Obwohl es der bosnischen Armee in den vergangenen Monaten gelungen ist, sich vor allem von unteren Rängen der serbischen Militärs Waffen zu beschaffen – was jetzt von der serbisch-bosnischen Militärführung ausdrücklich untersagt wurde –, und sie sogar einige regionale militärische Erfolge erzielen konnte, ist sie gegenüber einer konzertierten Aktion der beiden Kriegsgegner waffentechnisch weit unterlegen. Ins Feld geführt wird lediglich der unabdingbare Widerstandswille, der aus dem Wissen entspringt, daß es sich jetzt um einen entscheidenden Kampf um Leben und Tod handelt. Und dieser Wille scheint noch ungebrochen, obwohl beide Kriegsgegner in den letzten Wochen nichts unterließen, um durch die Behinderung der Hilfstransporte den Hunger der Bevölkerung in Restbosnien als Waffe zu benutzen.
Dem traurigen Roman des Verhaltens der „internationalen Gemeinschaft“ wird gerade jetzt wieder ein neues Kapitel zugefügt. Die französischen Rufe nach der Bombardierung serbischer Stellungen um Sarajevo und Tuzla erscheinen im Lichte der bisherigen französischen Politik nur als ein Ablenkungsmanöver von der Forderung der bosnischen Regierung, endlich das widerrechtliche Waffenembargo aufzuheben. Um es noch einmal zu sagen: Nach der UNO- Charta hat jeder diplomatisch anerkannte Staat das Recht auf Selbstverteidigung gegenüber einer Aggression. Allein die bosnische Armee ist noch in der Lage, die Fortführung des Genozids an der bosnisch- muslimanischen Bevölkerung zu verhindern. Eine vage Hoffnung, dies zu verstehen, richtet sich allein an die Adresse der Vereinigten Staaten von Amerika. Erich Rathfelder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen