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General Pinochets blutiges Erbe

■ In Chile werden immer mehr Massengräber mit Opfern des Putsches von 1973 entdeckt / Ex-Diktator nach Geheimdienstaussagen in Attentat auf chilenischen US-Botschafter verwickelt

Santiago de Chile (dpa) - Die Entdeckung von Massengräbern mit einer noch unbekannten Anzahl mumifizierter Leichen im Norden Chiles haben ein Schlaglicht auf die vom Militär geprägte Vergangenheit des Landes geworfen und den ehemaligen Präsidenten General Pinochet in arge Bedrängnis gebracht. Knapp 100 Tage nach Pinochets Abschied, der das Andenland 17 Jahren diktatorisch beherrschte, wurden in dem Küstenort Pisagua 16 verscharrte Leichen von Männern gefunden, die wahrscheinlich kurz nach Pinochets Militärputsch von 1973 erschossen worden waren.

Beobachter in Chile meinen, daß diese Funde und die nachvollziehbaren Exekutionsmethoden das Ende Pinochets einleiten könnten, der trotz des Machtwechsels vom 11.März dieses Jahres immer noch Oberkommandierender des Heeres ist. Die wegen der Trockenheit und des salzhaltigen Bodens relativ gut erhaltenen Körper sind in blutverschmierten Säcken verpackt. Die Arme der Toten sind gefesselt und einige der skelettierten Schädel trugen noch schwarze Augenbinden. Neun der Opfer wurden von ihren Familien identifiziert. Die Erschossenen haben meist linksgerichteten Gruppen angehört.

Die Zahl der in den geheimen Massengräbern entdeckten Leichen wird wahrscheinlich weiter steigen. Denn es wurden zwei weitere Massengräber lokalisiert, in denen ermordete Pinochet-Gegner beerdigt worden sein sollen. Nach Angaben des Richters Nelson Munoz Morales, der die Öffnung des ersten Massengrabes angeordnet hatte, existiert in seinem Zuständigkeitsbereich eine Liste mit den Namen von 51 Personen, die seit dem Militärputsch verschwunden sind.

Die chilenische Zeitung 'El Mercurio‘ veröffentlichte eigene Berichte vom 2. Oktober 1973 - rund drei Wochen nach dem Staatsstreich - aus denen hervorgeht, daß damals in Pisagua „sechs Extremisten von Soldaten bei einem Fluchtversuch erschossen wurden“.

Ein anderer Fall hat Pinochets Ansehen auch in ihm nahestehenden politischen Kreisen geschmälert: Hat sich doch der ursprüngliche Verdacht bestätigt, daß der chilenische Geheimdienst und damit auch Pinochet selbst in das Attentat auf den ehemaligen Botschafter Orlando Letelier verstrickt war. Letelier war zusammen mit seiner Sekretärin 1976 in Washington Opfer einer Autobombe geworden. Eine Chilenin hat inzwischen ihre Mitarbeit im Auftrag des Geheimdienstes gestanden.

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