Gemeinschaftsschule: Gemeinschaft dringend gesucht
Dämon oder Eintagsfliege - die Gemeinschaftsschule ist bei der Opposition umstritten. Sogar der FU-Präsident, von der FDP als Kritiker ins Spiel gebracht, lehnt sie nicht ganz ab.
Die Gemeinschaftsschule ist ein schlüpfriges Thema und derzeit schlecht geeignet als Munition gegen den rot-roten Senat. Das erfuhren die Oppositionsparteien FDP und CDU am Donnerstag wieder. Die ungeliebte "Einheitsschule" stand im Bildungsausschuss zur Anhörung auf der Tagesordnung.
Anhörungen sind ein willkommener Anlass für alle im Parlament vertretenen Parteien, die eigene Position noch einmal wirksam vertreten zu lassen. Dazu lädt jede Fraktion genau die Experten ein, die den eigenen Standpunkt untermauern. Keinen geringeren als den Präsidenten der jüngst zur Eliteuni ernannten Freien Universität, Dieter Lenzen, brachte die FDP in Stellung.
15 von 800 Berliner Schulen werden nach Senatsbeschluss im kommenden Schuljahr als Gemeinschaftsschulen Schüler bis zur zehnten Klasse unterrichten. Eigens für sie wird das Schulgesetz geändert: Sitzenbleiben und Probehalbjahr entfallen genauso wie die Aufteilung der Schüler nach Leistungen in den Kernfächern Deutsch, Mathe und Naturwissenschaften.
Doch Lenzen, von Haus aus Erziehungswissenschaftler, outete sich nur halbherzig als Gemeinschaftsschulgegner. Er machte zwar deutlich, dass es keinen empirischen Beweis dafür gäbe, dass der Unterricht sich verbessern würde, wenn alle Schüler von der ersten bis zur zehnten Klasse leistungsübergreifend unterrichtet werden. Er wies aber gleichwohl darauf hin, dass die grobe Einordnung der Schüler in die drei Typen Haupt-, Realschüler und Gymnasiasten überhaupt nicht funktioniere.
Ein Viertel der Hauptschüler gehörte leistungsmäßig an die Realschule, zitierte Lenzen Iglu, die Pisa-Studie für Grundschulen. "Parallel zur Einführung der Gemeinschaftsschule sollte man die Hauptschulen auflösen und mit den Realschulen fusionieren", so Lenzen.
Der zweite von der Opposition bestellte Experte - Heinz-Peter Meidinger vom konservativen Philologenverband - schwäbelte, das Sitzenbleiben sei weiter nötig, das Probehalbjahr ein Muss. Das ging selbst der CDU zu weit: "Wie wollen Sie denn das Sitzenbleiben reduzieren, wenn Sie es nicht verbieten", wollte Bildungssprecher Sascha Steuer wissen. In Berlin wiederholten im Schuljahr 2005/06 rund 14 Prozent der Hauptschüler und ein ebenso großer Anteil der Realschüler mindestens eine Klasse. Mieke Senftleben von der FDP warb sogar indirekt um Unterstützung für die Gesetzesänderungen und die Gemeinschaftsschule, indem sie forderte: "Schulen, die auf das Probehalbjahr und das Sitzenbleiben verzichten, brauchen finanzielle Unterstützung."
Ein Ball, den die Linksfraktion dankbar auffing. Bildungsexperte Steffen Zillich forderte erneut, die gesparten Millionen fürs Sitzenbleiben den elf Gemeinschaftsschulverbünden zu spenden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!