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Archiv-Artikel

Gemeinsam noch stärker

„Bio“ und „Fair“ werden zum immer enger verbundenen Paar. Erst der Faire Handel eröffnet vielen Bauern den Umstieg auf biologische Produktion. Ein Siegel, das Käufern beide Kriterien garantiert, gibt es aber auch künftig nicht

Biolebensmittel sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Mit ihnen wurden 2008 in Deutschland 5,8 Milliarden Euro umgesetzt. Auch fair gehandelte Produkte glänzten in den vergangenen Jahren mit bemerkenswerten Zuwachsraten. Sie werden inzwischen in mehr als 30.000 Supermärkten angeboten. Was liegt da näher, als „Fair“ und „Bio“ zu vereinen? Die gute Nachricht: Bereits rund 75 Prozent aller fair gehandelten Produkte stammen aus kontrolliert biologischen Anbau – Tendenz steigend.

Verwirrende Wegweiser

„Bio & Fair“ klingt gut, aber wie erkennt der Verbraucher Waren, die mit diesen Attributen versehen angeboten werden? „Unsere Produkte tragen zum einen das Biosiegel der EU-Öko-Verordnung oder bei einigen Kaffees, Tees oder Schokoladen das Naturland-Siegel, dessen Kriterien wesentlich enger gefasst sind als die EU-Norm“, sagt Brigitte Frommeyer, Pressereferentin der Gepa, Deutschlands größter Fairhandelsorganisation. „Zum anderen sind die Waren mit dem Fairtrade-Logo gekennzeichnet, das von der Fairtrade Labelling Organizations International (FLO) vergeben wird.“ Das bedeutet für die Produzenten vor allem einen vertraglich festgelegten Mindestpreis, der in der Regel über dem Weltmarktpreis liegt. Zusätzlich erhalten die Bauern eine Fairhandelsprämie und für die Bioproduktion einen zusätzlichen Bonus. Das sind zum Beispiel bei Kaffee 8 beziehungsweise 16 Prozent des garantierten Mindestpreises.

Einige Bioproduzenten arbeiten mit eigenen Fairrichtlinien und bürgen dafür mit ihren guten Namen. So steht das hauseigene „Hand in Hand-Siegel“ der Rapunzel Naturkost AG laut eigenen Angaben für eine „öko-faire Partnerschaft“. Bei Naturland, dem Verband für ökologischen Landbau e. V. müssen sechs Kriterien erfüllt sein, um die Auszeichnung der „Fairen Partnerschaften“ zu erhalten. Und die Gebana AG, Pionier unter den Schweizer Fairhandelsfirmen stellt auf der Webseite ausführlich dar, was das Unternehmen unter Bio & Fair versteht. Insgesamt unterscheiden sich die Fair- und Biokriterien bei den etablierten Fairhandelsorganisationen nur geringfügig. Ein einheitliches Siegel, an dem man ein „biofaires“ Produkt erkennen kann, wird es aber zukünftig wohl nicht geben.

Erstaunlicherweise eröffnet erst der Faire Handel vielen Bauern in den Entwicklungsländern den Umstieg auf biologischen Anbau. Beispiel Kaffee: Während die Erlöse für die braunen Bohnen in den meisten Jahren fielen oder stagnierten, stiegen die Kosten für künstliche Düngemittel und chemische Schädlingsbekämpfungsmittel im gleichen Zeitraum weltweit stark an. Zu viel für die meisten Bauern, die sich der Preistreiberei der großen Chemiekonzerne schutzlos ausgeliefert sahen. Doch wie die Verluste in der Umstellungsphase auf „Bio“ und die Zertifizierungskosten für den Biokaffee finanzieren? Hier springt der Faire Handel ein: Der Festpreis ermöglicht den Bauern Planungssicherheit, mit der Vorfinanzierung kann Biodünger besorgt werden, und Fairhandelsprämie plus Biobonus helfen dabei, die Verluste in der Umstellungsphase auszugleichen.

Doppel mit Eigendynamik

Bio & Fair macht also Sinn, und immer mehr deutsche Verbraucher fragen ethisch korrekte und biologisch angebaute Nahrungsmittel nach. Dies hat zu einem breiten Angebot „biofairer“ Lebensmittel geführt: Während man bei der Gepa inzwischen sogar Kaffeepads in Bioqualität bekommt, hat die Fairhandelsgenossenschaft dwp „biofaire“ Fruchtgummis im Sortiment. Beim Fair-Importeur El Puente kann man selbst brasilianisches Guaranapulver in biofairer Qualität kaufen und bei der Schweizer Gebana fair gehandelte und biologisch angebaute Trockenmangos aus Burkina Faso.

Ein wenig ausgewogener könnten allerdings die großen Schwankungen innerhalb der Produktgruppen sein. „Der Bioanteil bei fair gehandelten Bananen beträgt fast 100 Prozent, bei Fruchtsäften aber unter 10 Prozent“, so Maren Richter von TransFair Deutschland. „Der Grund liegt meist in der Absatzpolitik der Unternehmen, die sich für Konventionell plus Fairtrade oder eben für Bio plus Fairtrade entscheiden.“

Wie groß das Interesse an „biofairen“ Produkten inzwischen ist, zeigte bereits die deutschlandweiten Kampagne „Faire Woche“, die im September 2008 ganz im Zeichen des neuen Traumpaars stand. In ihrem Grußwort unterstützte die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, die Bemühungen, „biofaire“ Produkte stärker ins öffentliche und politische Bewusstsein zu rücken: „Mit biologisch angebauten, fair gehandelten Produkten erhalten die Verbraucherinnen und Verbraucher einen doppelten Nutzen.“

Zu ihrem 20. Geburtstag trägt auch die BioFach in Nürnberg dem neuen Trend Rechnung. Auf der weltgrößten Biomesse wird es eine Sonderschau Organic + Fair geben, auf der Herstellern die Möglichkeit geboten wird, ihre „biofairen“ Produkte zu zeigen. „Bio und Fair sind schon von der Grundphilosophie immer eng verbunden gewesen“, nennt Barbara Böck von der Messeleitung als einen Grund für die besondere Veranstaltung. Um das Thema auch inhaltlich mit Leben zu füllen, finden im „Ethical Trade Forum“ zahlreiche Vorträge, Foren und Diskussionsgruppen statt.

Vielleicht ist es nur eine Frage der Zeit, dass man beim Kauf eines fair gehandelten Produkts weiß, dass es auch biologisch angebaut wurde. Um den Abtransport „biofairer“ Waren braucht man sich jedenfalls keine Gedanken mehr zu machen. Die Firma The Fashion Evolution aus Kemmern bietet „biofaire“ Baumwolltaschen an, die doppelt zertifiziert sind. FRANK HERRMANN