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Gekündigte Supermarkt-KassiererinEmmely darf in Revision

Die Supermarkt-Kassiererin Emmely, die wegen der angeblichen Unterschlagung von Pfandmarken entlassen wurde, darf in Revision gehen. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Kann jetzt in die nächste Instanz gehen: Der Fall der gekündigten Supermarkt-Kassiererin Emmely. Bild: dpa

ERFURT dpa/taz | Der Fall der gekündigten Berliner Supermarkt- Kassiererin Barbara E. geht in die nächste Instanz. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt ließ am Dienstag wegen grundsätzlicher Bedeutung ein Revisionsverfahren zu.

Der unter ihrem Spitznamen Emmely bundesweit bekannt gewordenen Berlinerin wurde im Januar 2008 nach 31 Jahren unbeanstandeter Betriebszugehörigkeit gekündigt. Im Februar 2009 wurde die Kündigung in zweiter Instanz am Berliner Landesarbeitsgericht für rechtskräftig erklärt und zunächst keine Revision zugelassen.

Ob der Verdacht der Wahrheit entsprach, musste beim Verfahren nicht bewiesen werden. Politiker quer durch die Parteien, darunter auch Horst Seehofer und Franz Müntefering, haben das Urteil kritisiert. Der 3. Senat des BAG gab jetzt einer sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde der 50-Jährigen statt.

Die Erfurter Richter werden das Urteil des Landesarbeitsgerichts nun auf mögliche Rechtsfehler überprüfen. Der 3. Senat stellte in seinem Beschluss klar, dass es im Revisonsverfahren um die Frage gehen soll, ob Richter das Verhalten eines Arbeitnehmers in einem Kündigungsschutzprozess bei ihrer Urteilsfindung mitentscheidend berücksichtigen können. Diese Rechtsfrage sei vom BAG bisher nicht abschließend geklärt.

Emmely war von den Berliner Arbeitsrichtern vorgeworfen worden, in ihrem Kündigungsschutzprozess gelogen und eine Kollegin zu Unrecht angeschwärzt zu haben. Ein Termin für die mündliche Revisionsverhandlung in Erfurt steht nach Auskunft des BAG noch nicht fest.

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8 Kommentare

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  • SS
    Svetozar Schnuckelberger

    Mich würde auch interessieren, wie der derart vehement als Verfechter eines "Menschenrechts des Arbeitnehmers auf gelegentliche kleinere Diebstähle/Unterschlagungen/Betrügerein zu Lasten des Arbeitgebers" auftretende Verfahrensbevollmächtigte der Frau E. reagieren würden, wenn er feststellen müsste, dass bei Gelegenheit der Anwesenheit seines Raumpflegepersonals (um nicht politisch inkorrekt "Putzfrau" sagen zu müssen;-) kleinere Gegenstände (Nahrungsmittel, Büromaterial, Zeitschriften, kleinere Geldbeträge - nichts Bedeutendes) aus seiner Kanzlei/Wohnung wegkommen. Ob er dann wohl auch derart vehement die Auffassung vertreten würden, dass die Putzfrau selbstverständlich nicht entlassen werden darf, sondern weiter beschäftigt werden muss?

  • M
    MonikaM

    @ Svetozar Schnuckelberger: gute Information! Den Pressemeldungen ist das nicht zu entnehmen.Danke.

  • SS
    Svetozar Schnuckelberger

    Frau E. wurde letztlich ein Opfer ihres Anwalts (und von ver.di): Statt das Verfahren pragmatisch im Sinne der Mandatin zu führen, hat ihr Verfahrensbevollmächtigter erstinstanzlich doch tatsächlich vorgetragen, Frau E. sei "der Auffassung, die Vorwürfe der Beklagten könnten - selbst wenn sie zuträfen – eine Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen. Bagatellstraftaten gegen das Eigentum und das Vermögen des Arbeitgebers seien nicht so gravierend, als dass eine Kündigung überhaupt in Betracht käme." (Tz. 10 des Urteils des ArbG Berlin vom 21. August 2008 - Az. 2 Ca 3632/08, http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/?quelle=jlink&docid=KARE600023497&psml=sammlung.psml&max=true&bs=10). Wegen dieses Vortrags ging das Gericht davon aus, dass das Vertrauensverhältnis jedenfalls zerstört und eine Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber nicht zumutbar sei (§ 626 Abs. 1 BGB): "Bei Vorliegen einer Straftat gegen den Arbeitgeber oder bei Vorliegen eines dringenden Verdachts einer Straftat gegen den Arbeitgeber ist zwar das Vertrauensverhältnis regelmäßig auch für die Zukunft zerstört, jedoch ist zu erwägen, ob im Einzelfall eine Wiederherstellung des Vertrauens, das ein Festhalten am Arbeitsverhältnis zumutbar macht, möglich ist [...] [An dieser Stelle hätten dann die 31 Jahre usw. eine Rolle spielen können!, Sv. Schn.]. Vorliegend hat die Klägerin jedoch stets betont, dass sie das ihr vorgeworfene Verhalten ohnehin nicht als gravierend ansehe und im Übrigen Straftaten gegen den Arbeitgeber bei geringen Vermögensdelikten aus ihrer Sicht nie eine Kündigung rechtfertigen könnten. Unter diesen Umständen ist eine Wiederherstellung des Vertrauens ausgeschlossen. Artikuliert der Arbeitnehmer klar, dass er eine gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtete Straft als nicht so gravierend ansieht, so kann der Arbeitgeber auch für die Zukunft keinerlei Vertrauen haben, dass eine Schädigung seines Eigentums und Vermögens in Zukunft unterbleibt. Dabei ist weiterhin zu berücksichtigten, dass die Klägerin als Kassiererin mit Verkaufstätigkeit beschäftigt wurde und damit dauerhaft Zugriff auf das Eigentum der Beklagten hat. Sie wird also in einem besonders sensiblen Bereich beschäftigt, bei dem das Vertrauen auf ein redliches, vertragsgerechtes Verhalten besonders wichtig ist." (Tz. 47 der Urteilsgründe). Der Anwalt der Frau E. wollte offenbar gezielt eine Stellungnahme des Gerichts zu der Rechtsfrage, ob ein solches (prozessuales) Nachtatverhalten die Annahme des jedenfallsigen endgültigen Vertrauensverlusts trägt, provozieren, und zwar nicht im Interesse von Frau E., sondern um diese höchstrichterlich bisher nicht geklärte Rechtsfrage durch die Instanzen an das Bundesarbeitsgericht zu bringen - was ihm ja auch gelungen ist, denn diese Rechtsfrage ist nunmehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Ohne diesen Vortrag ihres Anwalts (d.h. mit etwas Zerknirschung, Vortrag zu Augenblicksversagen wg. Periode, o.ä.) hätte ausweislich Tz. 47 der Urteilsgründe wohl durchaus eine Chance bestanden, die Sache im Interesse von Frau E. zu einem guten Ende zu bringen. Um einen solchen Ausgang im Interesse der Frau E. ging es dem Anwalt (und ver.di) allerdings offenbar gerade nicht. Frau E., auf deren Rücken hier eine Art Musterprozess zur Klärung einer abstrakten Rechtsfrage ausgetragen wird, sollte ihren Anwalt auf Schadensersatz verklagen, wenn das Ganze - wie wohl zu erwarten steht (zu den rechtlichen Zusammenhängen siehe etwa Rieble, in: NJW 2009, 2101) - nach hinten losgeht.

  • P
    Potzblitz

    Übrigens: "Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob gegen Emmely ein Ermittlungsverfahren wegen des Vortäuschens einer Straftat eingeleitet wird. Die Kassiererin soll vor Gericht mutmaßlich falsch ausgesagt und ehemalige Kollegen zu unrecht belastet haben, hieß es"(Zitat: Süddeutsche).

    Was zu beweisen war; wenn man sich wehrt, schlägt das Empire zurück - und zwar bei einer von den ganz kleinen Normalos. Bei den Großen im Lande werden die Augen geschlossen, es wird gedealt hinter verschlossenen Gerichtstüren oder gleich alles unterschlagen von Staatswegen. Oh, entschuldigung, bei uns doch nicht.

    Da wundere sich noch jemand über eine Legitimitätskrise dieser 'Demokratie'.

  • SS
    Svetozar Schnuckelberger

    Mich würde auch interessieren, wie der derart vehement als Verfechter eines "Menschenrechts des Arbeitnehmers auf gelegentliche kleinere Diebstähle/Unterschlagungen/Betrügerein zu Lasten des Arbeitgebers" auftretende Verfahrensbevollmächtigte der Frau E. reagieren würden, wenn er feststellen müsste, dass bei Gelegenheit der Anwesenheit seines Raumpflegepersonals (um nicht politisch inkorrekt "Putzfrau" sagen zu müssen;-) kleinere Gegenstände (Nahrungsmittel, Büromaterial, Zeitschriften, kleinere Geldbeträge - nichts Bedeutendes) aus seiner Kanzlei/Wohnung wegkommen. Ob er dann wohl auch derart vehement die Auffassung vertreten würden, dass die Putzfrau selbstverständlich nicht entlassen werden darf, sondern weiter beschäftigt werden muss?

  • M
    MonikaM

    @ Svetozar Schnuckelberger: gute Information! Den Pressemeldungen ist das nicht zu entnehmen.Danke.

  • SS
    Svetozar Schnuckelberger

    Frau E. wurde letztlich ein Opfer ihres Anwalts (und von ver.di): Statt das Verfahren pragmatisch im Sinne der Mandatin zu führen, hat ihr Verfahrensbevollmächtigter erstinstanzlich doch tatsächlich vorgetragen, Frau E. sei "der Auffassung, die Vorwürfe der Beklagten könnten - selbst wenn sie zuträfen – eine Kündigung von vornherein nicht rechtfertigen. Bagatellstraftaten gegen das Eigentum und das Vermögen des Arbeitgebers seien nicht so gravierend, als dass eine Kündigung überhaupt in Betracht käme." (Tz. 10 des Urteils des ArbG Berlin vom 21. August 2008 - Az. 2 Ca 3632/08, http://www.gerichtsentscheidungen.berlin-brandenburg.de/jportal/?quelle=jlink&docid=KARE600023497&psml=sammlung.psml&max=true&bs=10). Wegen dieses Vortrags ging das Gericht davon aus, dass das Vertrauensverhältnis jedenfalls zerstört und eine Weiterbeschäftigung dem Arbeitgeber nicht zumutbar sei (§ 626 Abs. 1 BGB): "Bei Vorliegen einer Straftat gegen den Arbeitgeber oder bei Vorliegen eines dringenden Verdachts einer Straftat gegen den Arbeitgeber ist zwar das Vertrauensverhältnis regelmäßig auch für die Zukunft zerstört, jedoch ist zu erwägen, ob im Einzelfall eine Wiederherstellung des Vertrauens, das ein Festhalten am Arbeitsverhältnis zumutbar macht, möglich ist [...] [An dieser Stelle hätten dann die 31 Jahre usw. eine Rolle spielen können!, Sv. Schn.]. Vorliegend hat die Klägerin jedoch stets betont, dass sie das ihr vorgeworfene Verhalten ohnehin nicht als gravierend ansehe und im Übrigen Straftaten gegen den Arbeitgeber bei geringen Vermögensdelikten aus ihrer Sicht nie eine Kündigung rechtfertigen könnten. Unter diesen Umständen ist eine Wiederherstellung des Vertrauens ausgeschlossen. Artikuliert der Arbeitnehmer klar, dass er eine gegen das Vermögen des Arbeitgebers gerichtete Straft als nicht so gravierend ansieht, so kann der Arbeitgeber auch für die Zukunft keinerlei Vertrauen haben, dass eine Schädigung seines Eigentums und Vermögens in Zukunft unterbleibt. Dabei ist weiterhin zu berücksichtigten, dass die Klägerin als Kassiererin mit Verkaufstätigkeit beschäftigt wurde und damit dauerhaft Zugriff auf das Eigentum der Beklagten hat. Sie wird also in einem besonders sensiblen Bereich beschäftigt, bei dem das Vertrauen auf ein redliches, vertragsgerechtes Verhalten besonders wichtig ist." (Tz. 47 der Urteilsgründe). Der Anwalt der Frau E. wollte offenbar gezielt eine Stellungnahme des Gerichts zu der Rechtsfrage, ob ein solches (prozessuales) Nachtatverhalten die Annahme des jedenfallsigen endgültigen Vertrauensverlusts trägt, provozieren, und zwar nicht im Interesse von Frau E., sondern um diese höchstrichterlich bisher nicht geklärte Rechtsfrage durch die Instanzen an das Bundesarbeitsgericht zu bringen - was ihm ja auch gelungen ist, denn diese Rechtsfrage ist nunmehr Gegenstand des Revisionsverfahrens. Ohne diesen Vortrag ihres Anwalts (d.h. mit etwas Zerknirschung, Vortrag zu Augenblicksversagen wg. Periode, o.ä.) hätte ausweislich Tz. 47 der Urteilsgründe wohl durchaus eine Chance bestanden, die Sache im Interesse von Frau E. zu einem guten Ende zu bringen. Um einen solchen Ausgang im Interesse der Frau E. ging es dem Anwalt (und ver.di) allerdings offenbar gerade nicht. Frau E., auf deren Rücken hier eine Art Musterprozess zur Klärung einer abstrakten Rechtsfrage ausgetragen wird, sollte ihren Anwalt auf Schadensersatz verklagen, wenn das Ganze - wie wohl zu erwarten steht (zu den rechtlichen Zusammenhängen siehe etwa Rieble, in: NJW 2009, 2101) - nach hinten losgeht.

  • P
    Potzblitz

    Übrigens: "Die Berliner Staatsanwaltschaft prüft derzeit, ob gegen Emmely ein Ermittlungsverfahren wegen des Vortäuschens einer Straftat eingeleitet wird. Die Kassiererin soll vor Gericht mutmaßlich falsch ausgesagt und ehemalige Kollegen zu unrecht belastet haben, hieß es"(Zitat: Süddeutsche).

    Was zu beweisen war; wenn man sich wehrt, schlägt das Empire zurück - und zwar bei einer von den ganz kleinen Normalos. Bei den Großen im Lande werden die Augen geschlossen, es wird gedealt hinter verschlossenen Gerichtstüren oder gleich alles unterschlagen von Staatswegen. Oh, entschuldigung, bei uns doch nicht.

    Da wundere sich noch jemand über eine Legitimitätskrise dieser 'Demokratie'.