: Geißler geißelt Stihls stillosen Unsinn
■ Der CDU-Politiker kritisiert die Forderung des DIHT-Präsidenten nach einer Kürzung der Renten und wendet sich gegen Ausgrenzung sozial Schwacher
Bonn (taz) – Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU- Fraktion, Heiner Geißler, hat die Forderung des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans Peter Stihl, nach einer Senkung der Renten als „ökonomisch unsinnig“ kritisiert. Eine Kürzung der Renten um 25 Prozent würde das Altersgeld eines Arbeiters, der im Laufe von 40 Versicherungsjahren nur 75 Prozent des durchschnittlichen Arbeitsentgeltes erhalten habe, unter das Existenzminimum drücken, erklärte Geißler. Er plädierte dafür, sozial Schwache, Bedürftige, Arme und benachteiligte Menschen in die politische Verantwortung einzubeziehen. „Soziale Ausgrenzung wie in den USA und England, Klassenkampf und Streik wie in Frankreich und die Demontage des Sozialstaates, wie es einige Arbeitgeber forderten, sei mit dem christlichen Menschenbild der Union nicht vereinbar.
Die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland sei nur mit der Wahrung des sozialen Friedens zu gewährleisten. Der „Standortpessimismus“, für den es sowieso keine hinreichenden Gründe gebe, müsse überwunden werden, betonte Geißler. Schließlich sei Deutschland 1995 nach den USA und vor Japan das zweitgrößte Exportland der Welt gewesen. Auch finde der viel beklagte Export von Arbeitsplätzen nicht im großen Stil statt: 1994 hätten deutsche Nettotransferleistungen für Investitionen im Ausland rund 24 Milliarden Mark betragen. Die Gesamtbruttoinvestitionen in Deutschland aber 750 Milliarden. Damit hätten die Auslandsinvestitionen drei Prozent des Gesamtvolumens ausgemacht, und nur 20 Prozent dieses Geldes sei in Niedriglohnländer wie Polen, Tschechien oder den Fernen Osten geflossen.
Ebenso wie Geißler sprach sich auch Bundesarbeitsminister Norbert Blüm dafür aus, daß das von DGB-Chef Zwickel vorgeschlagene „Bündnis für Arbeit“ zwischen Gewerkschaften, Arbeitgebern und Regierung zustande komme. Blüm sagte der Wochenzeitung Rheinischer Merkur, der Staat könne die Arbeitslosigkeit nicht allein lösen. Die soziale Marktwirtschaft sei auf die Zusammenarbeit mit Arbeitgebern und Gewerkschaften angwiesen. Es gelte, die Gutwilligen auf allen Seiten zu stützen, denn auf allen Seiten gebe es auch Gegner.
Arbeitgeberpräsident Klaus Murmann forderte gestern, die verantwortlichen Politiker dürften vor „unpopulären Maßnahmen“ im Sozialbereich nicht zurückschrecken. „Der Umbau des Sozialstaates duldet keinen Aufschub. Überflüssiges können wir uns nicht mehr leisten.“ Dazu gehöre vor allem die derzeitige Form der Lohnfortzahlung bei Krankheit.
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