Geht da mal einer ran?

Fußball ist nicht nur Fußball: Patrick Schimanski inszeniert „Wir im Finale“ von Marc Becker im Brauhauskeller

„Geht da vielleicht nochmal jemand ran?! Da ist ja nicht zu fassen! Mann, Mann, Mann! Der steht doch völlig frei, ran da! Da muss doch mal einer ran! Warum macht denn hier keiner was? Mann, Mann, Mann. Wagt doch mal was!“ In den Stadien und Wohnzimmern dieser Erde hocken Woche für Woche die Fans und wissen alles immer besser: Es liegt mal wieder an der fehlenden Einsatzbereitschaft. Am Kampfwillen. An der Verweichlichung im Allgemeinen. An der Strategie oder an der Rezession, der weltweiten.

Im Brauhauskeller des Bremer Theaters geht‘s nun um das Sahnehäubchen unter den Fußballspielen: Ein Weltmeisterschaftsendspiel. Mit Deutschland als Teilnehmer.

Der Bremer Autor und bekennende Werder-Fan Marc Becker hat mit seinem Stück „Wir im Finale“ ein Fußball Pottpourri aus Sportreporter-Phrasen, Fankurven-Grölen und Experten-Besserwisserei zusammengemixt. Doch Fußball ist nicht nur Fußball, sondern ein spartenübergreifendes gesellschaftliches Ereignis. Die Phrasen des Trainers: könnten auch vom Bundeskanzler stammen. Der Vereinspräsident spricht mit der Zunge des Bundespräsidenten. Und der Fan ist natürlich auch politisch meinungsstarker Normalwähler.

Marc Beckers Text ist bissig, satirisch und böse. Ausdenken musste sich der Autor nichts. Was tagtäglich in den Nachrichten zu hören ist, in den Reden, Debatten und Deputationen, spricht für sich selbst.

Regisseur Patrick Schimanski zwingt das Publikum im Brauhauskeller auf orangene Plastik-Hartschalenstühle (Ausstattung: Okarina Peter, Timo Dentler). In der Mitte ein Mini-Fußballfeld, auf der Bühne ein Pressekonferenz-Tisch. Der Vereinspräsident mobilisiert alle Kräfte. „Wir müssen uns wieder mehr in den Dienst einer Sache stellen. Wir müssen zeigen, wozu wir fähig sind. Wir müssen alle mehr leisten. Wir müssen alle mehr arbeiten. Wir wollen es. Wir schaffen es. Kampf und Sieg.“ Und gesteht: „Ich wollte früher als junger Bursche auch gern Sportler werden, bin dann aber in die Politik reingetreten.“ So kann‘s gehen.

Die SchauspielerInnen sind bester Form und Laune. In hohem Tempo spielen sie sich durch zwei Halbzeiten. Sie sind Fußballer, Pastoren oder Groupies, die von den alten Fußballer-Frisuren von früher träumen („Kicker-Matte“). Es werden Abba- und Fußball-Hymnen gesungen.

Und am Ende steht die Hoffnung auf eine neue Welt: „Man glaubt an das andere. An Gemeinschaft, Verbundenheit, Zusammenhalt vielleicht. An etwas Höheres. Werte. Moral. Liebe – oder so.“ ANNA POSTELS

nächste Vorstellungen: 9., 15., 16. und 22. Oktober im Brauhauskeller