: Geheimdienstbericht beschuldigt Iran
Paris (afp) - Die französische Spionageabwehr DST beschuldigt laut der Pariser Tageszeitung Liberation den iranischen Religions– und Revolutionsführer Khomeini sowie eine Reihe weiterer Teheraner Spitzenpolitiker, persönlich grünes Licht für die mörderischen Attentate in Paris im September letzten Jahres gegeben zu haben. Die Anschuldigungen seien in einem Anfang Juni Premierminister Jacques Chirac übermittelten 60 Seiten starken Bericht enthalten, schrieb die Zeitung am Donnerstag. Die DST, die dem französischen Innenministerium untersteht, hatte sich vor einigen Monaten in die Ermittlungen um die Anschläge im September eingeschaltet. Die Einschätzungen des DST widersprechen heute offenbar den Erkenntnissen der Geheimdienstbehörden von Verteidigungsministerium und Präsidentenpalast, die die Urheber der Anschläge in der Umgebung des Libanesen Georges Ibrahim Abdallah vermuten. Innenminister Charles Pasqua erklärte es in einer ersten Stellungnahme für „falsch“, daß in einem DST–Bericht an Premierminister Chirac die Verantwortung Irans an der Attentatsserie aufgezeigt werde. „Wir haben niemals den iranischen Staat direkt beschuldigt“, betonte Pasqua in einem Rundfunkinterview. „Sicher“ sei hingegen aber, daß „eine Reihe verhafteter Personen direkt mit fundamentalistischen Kreisen in Verbindung standen“. Außenminister Jean–Bernard Raimond fand es am Donnerstag „keineswegs anormal“, daß die von seiner Regierung „vorgeschlagene“ fünftägige Frist zum Abzug des jeweiligen Botschaftspersonals nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Iran am Mittwoch verstrich, ohne daß eine Lösung in dem „Botschaftskrieg“ zwischen beiden Länder abzusehen scheint. Die Frist sei keine „Mußvorschrift“ gewesen, betonte der Chef des Quai dOrsay im Rundfunk. Die laufenden Verhandlungen hätten indes „Fortschritte“ gezeitigt. Es sei eine „verbale Übereinkunft“ über die Wahrnehmung der französischen Interessen durch Italien und die Irans durch Pakistan zustandegekommen. Es bedürfe nur noch, „daß die Übereinkunft formell wird“. Als „undenkbar“ wies er hingegen das etwaige Ansinnen zurück, den Botschaftsübersetzer Wahid Gordji, den die französische Justiz zu den Pariser Attentaten als Zeugen vernehmen will, gegen den Diplomaten Paul Torri auszutauschen, gegen den Teheran vor einigen Tagen Spionagevorwürfe erhoben hat. Raimond bestätigte, daß der Fall Gordji „das Kernproblem der Affäre darstellt“ und nur auf eine Weise zu regeln sei, „welche den geltenden Verfahrensweisen in Frankreich genüge tut“. Von den fünf Libanesen, die diese Woche im Zusammenhang mit der Pariser Attentatsserie vom vergangenen Jahr in Polizeigewahrsam genommen wurden, ist einer nach 24 Stunden am Mittwoch vom DST wieder freigelassen worden. Einer der Libanesen ist ein ehemaliger Mitarbeiter der iranischen Botschaft in Frankreich. Sie werden von demselben Untersuchungsrichter verhört, vor dem auch Wahid Gordji aussagen soll, der sich seit 3. Juni im iranischen Botschaftsgebäude aufhält, um der richterlichen Vernehmung zu den Anschlägen zu entgehen. Liberation schreibt in ihrem zwei Seiten langen Artikel, der DST–Bericht zeige auf detaillierte Weise die Entscheidungs– und Ausführungsmechanismen bei Anschlägen und Operationen außerhalb Irans auf. Er beschreibe die erstrangige Rolle der Universität der den Schiiten heiligen Stadt Qom in der Heranbildung von „schlafenden“ Untergrundgruppen in diversen Hauptstädten, welche zum gegebenen Zeitpunkt zum beliebigen Einsatz „geweckt“ werden könnten. Der Bericht soll in der Schlußfolgerung gipfeln: „Khomeini hat ein Programm zur Ausfuhr der islamischen Revolution in der gesamten Welt, und 1985 war der Beginn der europäischen Etappe.“ Aus dem Bericht ergebe sich die Gewißheit, so die Zeitung, daß keine außerhalb Irans von „Soldaten Allahs“ geführte „Operation“ ohne die ausdrückliche Zustimmung einiger der ranghöchsten Persönlichkeiten des iranischen Regimes und somit ohne die Billigung des Imam selbst erfolgen könne. Mouhajer beschuldigt Laut Liberation werden die geeignetsten Mittel zur Erreichung der von Khomeini gesteckten Revolutionsziele einem „islamischen Rat“ unterbreitet. Mitglieder seien insbesondere Staatsoberhaupt Ali Khamenei, Ministerpräsident Mir Hossein Mussawi und Ayatollah Montazeri, der designierte Nachfolger Khomeinis und Hauptverantwortliche für „die Ausfuhr der Revolution“. Seine Zustimmung zu den Vorschlägen des Rates erteile der Religionsführer als „fatwa“. Ein solches Religionsdekret könne gegebenfalls Untergrund–Methoden absegnen. Zur Ausarbeitung und Ausführung des Plans trete der „islamische Rat“ dann vor allem in Verbindung zur Führung der libanesischen „Filiale“, deren Rat „die Bestellung aufnimmt“ und an einen Verantwortlichen in dem „anvisierten“ Land weiterleite. In Paris habe Mohamed Mouhajer diese Rolle ausgeführt, der im März dieses Jahres mit anderen schiitischen Fundamentalisten verhaftet wurde und mit der mutmaßlichen „grauen Eminenz“ der iranischen Botschaft in Paris, dem Dolmetscher Wahid Gordji, Verbindung gehabt haben soll. Die Zeitung schrieb, dieses System erkläre, weshalb Iran fast nie selbst in Erscheinung trete. Seine Agenten integrierten sich geschickt in diverse örtliche fundamentalistische Gruppen.
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