piwik no script img

Gegen „maskierten Kommunismus“

■ Der erste Prozeß gegen Ceausescus Helfershelfer eröffnet

Bukarest (afp/dpa) - In Bukarest sind gestern wieder Zehntausende auf die Straße gegangen, um gegen den „maskierten Kommunismus“ der rumänischen Führung im Rat der Front zur Nationalen Rettung zu protestieren. Ebenfalls am Wochenende begannen die Verhandlungen gegen vier ehemalige Vertraute Ceausescus, die sich vor Gericht wegen „Komplizenschaft am Völkermord“ zu verantworten haben.

Nachdem bereits am Samstag an die tausend Demonstranten gegen die neue politische Führung auf einer nicht genehmigten Demonstration protestiert hatten, versammelten sich gestern erneut Zehntausende, um die Bildung einer Übergangsregierung und freie Wahlen ohne Beteiligung des Rats der Front zur Nationalen Rettung zu fordern. Aufgerufen zu dieser Demonstration hatten die drei größten Oppositionsparteien des Landes, die Nationale Bauernpartei, die Liberale Partei und die Sozialdemokratische Partei. Der Protestmarsch zog zum Siegesplatz, dem Sitz des Rates. Erst am Donnerstag hatte die Führung ein Dekret erlassen, wonach Versammlungen auf diesem Platz verboten wurden. Pastor Laszlo Toekes, dessen Verhaftung im Dezember in Temeswar den Massenprotest gegen das Ceausescu Regime mitentfacht hatte, trat unterdessen Gerüchten entgegen, auch er werde seine Unterstützung der FNR entziehen. Vielleicht handele es sich bei diesem Gerücht um „einen Versuch, die Situation zu destabilisieren“. Die Alternative laute, so Toekes: „Der Rat oder die Armee“.

Am Samstag abend hatte der rumänische Ministerpräsident Petre Roman die politischen Gruppierungen des Landes aufgefordert, jede Form von Gewalt zu vermeiden. Er versicherte, der Rat wolle sich kein Machtmonopol sichern.

In der Bukarester Militärakademie begann am Samstag der Prozeß gegen vier enge Vertraute des Ex-Diktators. Die Anklageschrift beschuldigte den früheren Innenminister Tudor Postelnicu, das Politbüro-Mitglied Ion Dinca, Vizepräsident Manea Manescu und ZK-Sekretär Emil Bobu der „Komplizenschaft am Völkermord“. Während der Voruntersuchung hätten sich alle bereits als schuldig bekannt. Postelnicu wurde vorgehalten, er habe sich einverstanden erklärt, den Sicherheitskräften Munition und den Schießbefehl zu geben. Bobu soll es zuzuschreiben sein, daß die Leichen in Temeswar verbrannt wurden. Ihre Namen wollte er auf die Liste illegal ins Ausland Geflüchteter setzen. Dinca und Manescu wird vorgeworfen, 20.000 Bewaffnete in die westrumänische Stadt zur gewaltsamen Niederschlagung der Proteste entsandt zu haben. Manescu bedauerte, zu Beginn der Revolution das Blutvergießen nicht vermieden zu haben. Der Prozeß wird am Montag fortgesetzt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen