Gefangenenlager Guantánamo: Eine schwere Bürde
Obwohl Guantánamo geschlossen werden sollte, existiert das Gefangenenlager nach wie vor. Bushs Erbe bleibt ein innenpolitisches Problem für Obama.
BERLIN taz | 17 Monate sind vergangen, seit der damals gerade frisch vereidigte US-Präsident Barack Obama an seinem ersten Amtstag die Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo auf der US-Marinebasis in Kuba binnen Jahresfrist ankündigte. Seither ist viel passiert – doch das Lager besteht weiter. Rund 180 der ursprünglich bis zu 700 Gefangenen sitzen noch immer in Guantánamo ein, abgeschnitten von ziviler Kontrolle, unter Aufsicht von US-Militärs.
Darunter befinden sich auch 32 Gefangene, die – nach bis zu neun Jahren Haft - von den US-Behörden selbst als unbedenklich eingestuft wurden, wegen der Gefahr der politischen Verfolgung aber nicht in ihre Heimatländer abgeschoben werden können. Zwei davon werden nun nach Deutschland kommen.
Die rechtlichen Grauzonen aber, die das Lager von Beginn an charakterisiert haben, hat auch der lautstark deklarierte Politikwandel Barack Obamas nicht beseitigen können. Zwar ist ein Teil der Insassen, denen überhaupt strafrechtlich erfassbare Vorwürfe gemacht werden können, inzwischen in ein Hochsicherheitsgefängnis auf US-amerikanischem Festland gebracht worden. Anderen jedoch, wie dem zum Zeitpunkt seiner Gefangennahme 15-jährigen Omar Ahmed Khadr, wird in Guantánamo der Prozess von genau jenen Militärtribunalen gemacht, deren Mangel an Rechtsstaatlichkeit stets im Zentrum der Kritik stand.
Guantánamo stellt für die Obama-Regierung eine nicht befriedigend zu bewältigende Herausforderung dar. Insbesondere diejenigen Gefangenen, denen die schwersten Straftaten vorgeworfen werden wie etwa die Planung und Beteiligung an den Flugzeugattentaten vom 11. September 2001, sind über Jahre hinweg in Geheimgefängnissen der CIA systematisch gefoltert worden. Die Informationen, die die Behörden unter diesen Umständen von ihnen erlangt haben, können vor keinem zivilen US-Gericht verwendet werden. Eine Freilassung dieser Gefangenen jedoch kommt nicht infrage – aus politischen und tatsächlich auch aus Sicherheitsgründen. So bleibt nur die Militärjustiz.
Die Bürde, die die Bush-Regierung in ihrem mit allen – auch illegalen – Mitteln geführten "Krieg gegen den Terror" hinterlassen hat, wiegt schwer.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland