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Gefängnistheater gibt Asylbewerber HaltRettung durch das Knast-Theater

Para Ndobasi Kiala aus Kongo spielt seit Jahren bei der Knasttheatergruppe "aufBruch" mit. Kurz vor der Premiere der neuen Stücks wäre er fast abgeschoben worden.

Der Gang über die Alpen Hannibals ist ein Motiv im Theaterstück "Wolokolamsker Chaussee" Bild: dpa

Para Ndobasi Kiala liebt den Applaus nach der Aufführung wie alle Schauspieler. Auf der Bühne erfährt er Anerkennung und verdient damit ein wenig Geld. Aber bei ihm geht es dabei um mehr: Als geduldeter Asylbewerber steht er alle paar Monate kurz vor der Abschiebung, das Theater bietet ihm Halt inmitten seines unsteten Lebens. Ab Donnerstag spielt er die Hauptrolle im Stück "Wolokolamsker Chaussee", das am Deutsch-Russischen Museum in Karlshorst Premiere feiert. Inszeniert ist wird es von der Knasttheatergruppe "aufBruch".

Der 36-jährige Kongolese saß für vier Jahre und acht Monate im Gefängnis. Dabei sei er gar kein Krimineller - "ich habe niemanden niedergeschlagen, bedroht oder ermordet", darauf besteht Kiala. In seiner Version ist er ein "charmanter Gauner", der wegen serienmäßigen Scheckbetrugs verurteilt wurde. Die Haft hat er bis 14. Juli 2008 in der Justizvollzugsanstalt Tegel abgesessen. Sein Entlassungsschein sollte das Flugticket zurück nach Kinshasa werden, das er 12 Jahre zuvor auf der Suche nach einem besseren Leben verlassen hat.

Nun ist er noch immer hier, und sein Fall erhitzt die Gemüter: "Wenn Gefangene wie Para sofort nach ihrer Haft abgeschoben werden, dann braucht man sich auch nicht die Mühe zu machen sie zu resozialisieren. Dann wird das Konzept des Strafvollzugs hinfällig", sagt Sibylle Arndt. Sie ist die Produktionsleiterin von "Wolokolamsker Chaussee". Arndt und das Gefängnistheaterprojekt aufBruch führen seit elf Jahren mit Inhaftierten Theaterstücke auf. Auch Para N. Kiala gehörte bei drei Aufführungen zum Ensemble, während dieser Zusammenarbeit ist ein gegenseitiges Vertrauen gewachsen. "Für uns ist Para ein verlässlicher Partner", sagt Arndt.

Das Theaterspielen ist für Kiala eine Doppelbelastung. Dank einer Arbeitserlaubnis hat er Anstellung in einer Hühnerfabrik bei Leipzig gefunden. In zwei Schichten arbeitet er und zerteilt Hähnchen. Das ist zwar kein Traumjob, aber er ist froh darüber, für sich sorgen zu können und für seine fünfjährige Tochter Unterhalt zu bezahlen. "Die Arbeit gibt mir das Gefühl, hier in der Gesellschaft dazuzugehören", sagt er. Während der sechswöchigen Proben stieg Kiala mehrmals in der Woche nach der Arbeit in den Zug nach Berlin und kehrte spät abends wieder zurück, damit er am nächsten Tag zur Frühschicht in der Fabrik stehen konnte.

Ende Juli meldete sich sein Rechtsanwalt Steffen Puntschuh und meinte, dass er Probleme mit dem Aufenthaltsrecht bekomme, erzählt Kiala. Plötzlich stand eine Abschiebung noch im September im Raum. "Rechtlich gibt es keine Möglichkeit, ein Bleiberecht einzufordern", sagt Puntschuh. Man könne nur an die Ausländerbehörde in Chemnitz appellieren, wo seine Freundin mit seiner Tochter lebt.

Sibylle Arndt und der Regisseur des Stücks, Peter Atanassow, schrieben an die Ausländerbehörde und baten darum, Kialas Duldung zu verlängern. "Viel können wir nicht machen, außer einen guten Leumund für Para abzugeben", sagt Atanassow. Für Kiala jedoch ist die Unterstützung von einem weit über die Grenzen Berlins bekannten Theaterprojekt wichtig. Für ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht muss er sich nicht nur um Arbeit, sondern auch um Integration bemühen. "Ich erfülle dafür alle Richtlinien", sagt Kiala, "nur habe ich einen großen schwarzen Fleck im Lebenslauf: meine Zeit im Gefängnis." Inzwischen hat die Chemnitzer Ausländerbehörde ein Entgegenkommen signalisiert.

Der Kongolese erinnert sich genau daran, wie er schon einmal in einem Flugzeug nach Kinshasa saß. Das war am Tag seiner Entlassung vor gut einem Jahr. Nur mit einer Notlüge gelang es ihm, während eines Zwischenstopps in Doha, Katar, wieder in den Flieger nach Deutschland gesetzt zu werden. "Ich verleugnete aus Kongo zu sein. Die Behörden in Katar konnten das nicht prüfen, wollten sich des Falls auch gar nicht annehmen, also schickten sie mich zurück." In Berlin saß er anschließend fünf Tage in Haft, bis ein Richter in seiner Abschiebung einen Formfehler entdeckte: Zwischen Haftentlassung und Abschiebung lagen acht Stunden, in denen er zu Unrecht festgehalten wurde. Seitdem war Kiala geduldet, erst ein halbes Jahr, dann noch ein halbes Jahr.

Für Regisseur Peter Atanassow wäre eine Abschiebung nicht nur für die Inszenierung ein Desaster gewesen, sondern auch eine menschliche Tragödie. "Seit 13 Jahren ist Para nun in Deutschland, mittlerweile gehört er mehr hierher als nach Kongo", sagt er. Kiala verließ das Land als 23-Jähriger, noch bevor in Kongo das Mobutu-Regime gestürzt wurde. Er gab sein Studium in Theaterwissenschaften auf und ging fort, weil er in Kinshasa keine Zukunft mehr sah. Eine Schwester von ihm lebte bereits in Berlin, so dass er einen Anlaufpunkt hatte. Kiala kann sich noch an einen seiner ersten Tage erinnern, wie er mit anderen Kongolesen in der Hasenheide Fußball spielte. "Die meisten von ihnen sprachen sehr gut Deutsch. Das weckte meinen Ehrgeiz, und ich lernte auch die Sprache." Dennoch war er frustriert. "Von vierzig Euro sollte man leben. Ich durfte ja als Asylbewerber nicht arbeiten."

Die Haft hat Kiala nun hinter sich gelassen und kämpft wieder für einen Neuanfang. In "Wolokolamsker Chausee" spielt er einen Soldaten in den russischen Wäldern. Das Theaterstück von Heiner Müller behandelt Systemfragen und Atanassow spielt immer wieder mit Symbolen. "Die Idee des Sozialismus verlangte im Zweiten Weltkrieg Opfer und verlor dadurch sein menschliches Antlitz", so der Regisseur.

Der Schauspieler Kiala wird in dem Stück selbst zum Symbol. Wenn er neben den russischen Panzern im Garten des Museums in Karlshorst steht, dann bricht er mit dem geschichtsträchtigen Ort, an dem die Zeit stehenzubleiben scheint. Hier wurde die bedingungslose Kapitulation von Hitlerdeutschland unterzeichnet, hierhin zog sich die DDR-Elite während des Aufstandes von 1953 zurück. Kiala dagegen steht für die Berliner Republik der Nachwendezeit - in der das Deutschsein nicht mehr ausschließlich eine Frage des Blutes ist und Nationalfußballer auch Mesut Özil heißen können.

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