: Gefährliche Theorien
GENDER-MAINSTREAMING Für manche kein Gewinn, sondern Teufelswerk
Konservativ-christliche Kreise fürchten um den Ruf des Landes. Das Forum Deutscher Katholiken versendete unlängst eine Presseerklärung, in der vor der zerstörerischen Kraft deutschen Gedankenguts gewarnt wird: „Von Deutschland darf nicht das Unheil ausgehen!“ Vor Neonazis fürchten sich die Christen nicht, aber vor den Theorien von Karl Marx, die, von Deutschland ihren Ausgang nehmend, weltweit dazu beigetragen hätten, „die Gesellschaft durch Klassenkampf zu zerstören“. Als theoretisches Erbe des Marxismus sieht man offenbar die Genderforschung an: „Sollen jetzt von Deutschland Theorien ausgehen, die das Wesen des Menschen zerstören, der seiner Natur gemäß unverwechselbar Mann oder Frau ist?“, fragt das Forum Deutscher Katholiken, das als papsttreu und extrem konservativ gilt.
Anlass der Erregung ist eine Rede von Thomas Krüger, dem Präsidenten der Bundeszentrale für Politische Bildung. Auf dem Kongress „Gender, Glück und Krisenzeiten in der globalen Ökonomie“, der Ende Oktober in Berlin stattfand, hatte Krüger gefordert, das Prinzip des Gender Mainstreaming „als zentrale Dimension aller gesellschaftlichen und politischen Bereiche umzusetzen“. So könne man die in unserer Gesellschaft verankerten geschlechtlich kodierten Machtasymmetrien überwinden. So weit, so harmlos. Geärgert haben dürften sich Fans der christlichen Kleinfamilie aber über Krügers Aufruf zum „Verzicht auf Privilegien wie die klassische männliche Versorgerrolle oder die klassische Ernährer-Ehe“. Die Vision von „hierarchiefreien Partnerschaften auf Augenhöhe“ dürfte Hubert Gindert, Vorsitzender des Forums Deutscher Katholiken, reichlich fremd sein. Jedenfalls will Gindert in Krügers Rede einen Ruf nach „Überwindung der Geschlechteridentität“ erkennen. Keine Männer und Frauen mehr? Gott bewahre! In einer Mitteilung an Parteien, den Bundespräsidenten und die Kanzlerin forderte Gindert Krügers sofortige Absetzung.
Die Bundesregierung bezeichnet Gender Mainstreaming allerdings nicht als Teufelswerk, sondern als „ein Gewinn für beide Geschlechter“. Das EU-weite Gleichstellungsinstrument verfolgt die Absicht, „bei allen Vorhaben die unterschiedlichen Lebenssituationen und Interessen von Frauen und Männern von vornherein und regelmäßig zu berücksichtigen“. Gefährliche Theorien sind auch nicht mehr, was sie mal waren. API