Gedenken an den Herbst 1989: Der Mauerfall wird wiederholt
Das Gedenkprogramm zum Mauerfalls beginnt in Los Angeles und endet mit einem Dominosturz am 20. Jahrestag. Dazwischen gibt es hunderte Veranstaltungen. Über allem schwebt ein roter Pfeil.
Unter dem Motto "Schauplätze - 20 Jahre im Wandel" zieht eine Veranstaltungsreihe quer durch Berlin. Der jeweilige Ort wird durch einen 18 Meter langen roten Helium-Pfeil am Himmel markiert. Bis Sonntag wird er zunächst über dem Marlene-Dietrich-Platz schweben. Von dort gibt es Führungen durch Berlins neue Mitte. Im Laufe des Jahres wird der Pfeil auf 15 weitere Orte weisen. Alle Infos finden sich im Internet unter mauerfall09.de. ABB.: SENAT
Vielleicht muss ein so ufer- oder besser gesagt grenzenloses Thema wie "Berlin 2009. 20 Jahre Mauerfall" seinen Anfang gar nicht in Berlin nehmen. Aber man kann auch übertreiben. Die vom Deutschen Historischen Museums (DHM) mitkonzipierte Ausstellung "Kunst und Kalter Krieg, Deutsche Positionen 1945 bis 1989", die als Auftaktveranstaltung des "Themenjahres" zum Mauerfall firmiert, wurde Dienstag in Los Angeles eröffnet.
In Berlin geht man ab dem heutigen Donnerstag bis zum Jahresende konkreter und zugleich komplexer mit dem Sturz des SED-Regimes um. "Wir versuchen, das Gedenkjahr in mehrfacher Weise zu umfassen", erklärt Moritz van Dülmen, Leiter der Kulturprojekte Berlin, der die zu "drei Themenschwerpunkten" gegliederte Veranstaltungsreihe koordiniert. "Es geht zum einen um den 20. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November, der mit einem Fest, Kulturveranstaltungen und Kunstaktionen gefeiert wird. Zum anderen fokussieren wir uns auf die Geschichte der Stadt vor 20 Jahren, die Erinnerung und das Gedenken." Schließlich präsentiere das Programm "die sich gewandelte Stadt". Es gelte zu zeigen, was sich verändert habe und was nicht, erklärt von Dülmen.
Einen ersten Eindruck davon bietet die rote Infobox auf dem Potsdamer Platz, die ab sofort besucht werden kann. Das begehbare Dach ist eine rote Treppe, die ins Nichts führt. Ihre Form erinnert an die einstigen Aussichtsplattformen auf der Westseite der Mauer, ihr Name an die Infobox, die in den 90er Jahren nur wenige Meter weiter die Bauarbeiten am Potsdamer Platz begleitete. Doch wer eine ähnlich umfangreiche Präsentation wie damals erwartet, wird enttäuscht. In der Nachfolgerkiste gibt es nur ein paar Flugblätter - und einen Infotisch, der mit Fotos den Wandel von 60 Berliner Orten in den vergangenen 20 Jahren zeigen soll. Ob das funktioniert, ist noch offen. Bei der Vorabpräsentation am Mittwoch versagte die Technik.
Doch die Box am Potsdamer Platz ist auch nur der zentrale Ausgangspunkt. Die thematische Aufarbeitung soll mit Ausstellungen und Events durch die Stadt reisen - vom Marlene-Dietreich-Platz an diesem Wochenende, über den Oranienplatz in Kreuzberg bis hin zur Hellen Mitte in Hellersdorf (siehe Kasten).
Im Mai startet der zweite Schwerpunkt - die Historie und ihre Rezeption - mit einer Fülle von Ausstellungen, Dokumentationen und Projekten. Herzstück ist die Open-Air-Schau "Die Friedliche Revolution 1989/1990", die auf dem Alexanderplatz sich der Chronologie des Wandels in Ostberlin widmet - von den oppositionellen Aktivitäten zu Beginn des Jahres 1989 bis zur Volkskammerwahl 1990. Sie wird am 7. Mai eröffnet, exakt 20 Jahre nach der letzten DDR-Kommunalwahl, die wegen der offensichtlichen Wahlfälschungen das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.
Zum Ende des Gedenkjahres wird es nochmals hochsymbolisch. Das mehrtägige "Fest der Freiheit" am Brandenburger Tor beginnt am 5. November mit der Verleihung der MTV-Awards am Brandenburger Tor. Am Abend des 9. November wird dann erstmals die Mauer im Wortsinne fallen. Im Laufe des Jahres sollen Schülergruppen zweineinhalb Meter hohe, bunte "Steine" bauen. Die werden dann am Brandenburger Tor auf einer Strecke von mehreren Kilometern zunächst den einstigen Mauerverlauf abbilden und am Jahrestag effektvoll - in einer Kettenreaktion - zum Einsturz gebracht.
Die Endzeit der DDR wird nachgespielt, ein bisschen revolutionäre Nostalgie auch und mit allem ist das Gedenken an 20 Jahre Mauerfall zwischen Ironie und Ernsthaftigkeit angekommen. Warum nicht? Wenn darüber hinaus die Frage beantwortet wird, wie es um den inneren Zustand der städtischen Einheit nach 20 Jahren bestellt ist, kann man sogar dem Roten Pfeil am Himmel über Berlin etwas abgewinnen.
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