: Geburtstagsfeier für die Peoples Power
■ Am morgigen Mittwoch jährt sich auf den Philippinen der Sturz von Diktator Ferdinand Marcos / In viertägigen Feiern wird die sogenannte Februarrevolution wiederbelebt / Das Militär poliert sein Image als Retter der Nation auf
Aus Manila Tim Kuschnerus
Nach einer der blutigsten Wochen in dem seit 18 Jahren andauernden Krieg zwischen dem Militär und den verschiedenen Guerillagruppen und inmitten von Gerüchten über eine neuerliche Meuterei in Teilen der philippinischen Streitkräften steht in der Hauptstadt Manila seit Sonntag die „Nationale Versöhnung“ auf dem Programm. Vom 22. bis 25. Februar jährt sich nämlich erstmals die Vertreibung des langjährigen Diktators Marcos durch eine bislang einmalige Kombination von Volksaufstand (genannt Peoples Power) und Militärrevolte, - Anlaß genug, die Historie durch ausgiebige Feierlichkeiten wiederzubeleben und das durch Massaker und Putschversuche angeschlagene Image der Streitkräfte aufzupeppen. Seit Wochen schon laufen die Vorbereitungen für das denkwürdige Ereignis auf Hochtouren. Zeitungen und Schulen veranstalten Aufsatzwettbewerbe zum Thema (den Siegern winkt ein Empfang bei der Präsidentin), das Boulevardblatt Philip pine Daily Star druckt täglich eine „Übersicht der Helden“ ab, in der Leser namentlich bekennen: „Ich war Teil der philippinischen Revolution von 1986.“ Der 25.2. wurde von Aquino zum Feiertag der Befreiung erklärt , gelbe Pla stiktaschen und T–Shirts sowie Peoples Power–Aufkleber haben Hochkonjunktur. Hunderte von Flaggen säumen die EDSA–Stadtautobahn in Manilas Schwesterstadt Quezon City, wo im vergangenen Jahr Hundertausende die in den Militärcamps Crame und Aguinaldo verschanzten Führer der Revolte Ramos und Enrile vor den Marcos–Truppen schützten; dafür wurden die letzten linken Parolen an den Mauern rechtzeitig weiß übertüncht. Im Fernsehen immer wieder Bilder vom EDSA–Wunder: Zivilisten und Militärs umarmen sich, Soldaten marschieren im Zeitlupentempo über den Bildschirm, bekommen Blumen angesteckt. Einen Vorgeschmack auf die kommenden Ereignisse vermittelte die Rede, die Generalstabschef Ramos im Fort Bonifacio am Sonntag nachmittag vor Top–Militärs und Reformoffizieren hielt: „Die Peoples Power–Revolution stellt das historische Verhältnis rzwischen den Streitkräften und dem Volk wieder her. Sie brachte das Beste im einfachen Soldaten wie im Bürger zum Vorschein, indem beide ihre Pflicht erkannten, einander zu schützen. Das Volk unterstützte eine Handvoll Rebellen gegen die bewaffnete Macht der Diktatur und erreichte - gelenkt durch einen göttlichen Führer - den Sturz des Regimes.“ Am Nachmittag durfte dann der gefeuerte Verteidigungsminister Enrile, der mit Ramos zusammen Marcos den Rücken gekehrt (aber später auch gegen Aquino intrigiert) hatte, seine eigene Trauerfeier für die fünf einzigen Opfer des weitgehend gewaltlosen Aufstands abhalten. Eine großzügige Einladung von Aquino, an den Vorbereitungen für die Feiern teilzunehmen, hatte er zuvor ausgeschlagen. Um den Geist der Einheit und Versöhnung zu stärken, ging der Erzbischof von Manila, Kardinal Jaime Sin, mit leuchtendem Beispiel voran und lud am Sonntag vier Familien in seine Villa zum Frühstück ein: eine aus den Reihen des Militärs, eine von den Armen, eine von der Polizei und eine aus der Geschäftswelt. Nach dem Mendiolamassaker und den erneuten Morden an Bauern durch Soldaten vor rund zwei Wochen tut eine Imageverbesserung für die Streitkräfte dringend Not, und darauf ist denn auch ein großer Teil der am Mittwoch kulminierenden Feierlichkeiten ausgerichtet. Das Militär, das zu 40 die neue Verfassung gestimmt hat, wird zum zweiten Mal einen Eid auf die Konstitution ablegen, in den Militärcamps herrscht Tag der Offenen Tür mit kostenlosen Zahnbehandlungen und Medikamenten, Militärhubschrauber werfen Blumen in die Menge und für den Nachmittag ist gar ein gemeinsamer Gedenkgottesdienst von Militärs und Zivilisten in Camp Crame vorgesehen, wo früher die prominentesten politischen Häftlinge interniert waren. Abends dann großes Volksfest auf der EDSA und ein Riesenfeuerwerk als krönender Abschluß. Der Kirche ist es recht, zumal der Jahrestag der Wunderrevolution auch noch mit dem Fest der gesegneten Jungfrau zusammenfällt. Kardinal Sin: „Ein Feuerwerk soll es geben, aber nicht nur am Himmel, sondern auch in unseren Herzen.“ Damit keiner die Uhrzeit dafür verpaßt, werden just zur Stunde, wo Marcos das US–Flugzeug nach Hawaii bestieg, landesweit die Glocken geläutet. Die Strategie hat, jedenfalls für diese vier Tage, Erfolg. Nicht einmal die Linke wagt es, die merkwürdigen Blüten der angeblichen Peoples Power zu attackieren, das Volk ist - sofern es sich um Städter handelt - begeistert.
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